Ein moderner Liebesschwur

An der Neustraße hängen Liebesschlösser. Das junge Ritual stammt aus Italien.

Neuss. Immer wieder bleiben Passanten auf der Brücke Neustraße über dem Nordkanal stehen. „Schön, dass die Neusser so liebevoll zueinander sind“, sagt Lisa Richter und schaut sich das herzförmige Vorhängeschloss an. „Ewig mein, ewig dein, ewig unser“, steht darauf; „Julia und Leon für immer“ auf einem anderen. „Das ist eine sehr nette Idee“, sagt Vera Schmidt, die den Brauch bereits aus Köln kennt.

Rund 40 000 Liebesschlösser hängen an der Hohenzollernbrücke in der rheinischen Nachbarstadt. In Neuss sind es immerhin 92 — angebracht von Verliebten, die den Schlüssel anschließend ins Wasser warfen. „Die Menschen machen damit ihre Liebe öffentlich“, sagt Dagmar Hänel, Volkskundlerin des Landschaftsverbandes Rheinland, die seit zwei Jahren den Brauch der Liebesschlösser erforscht. Als Ort des Übergangs, der zwei Ufer miteinander verbindet, sei die Brücke dafür der prädestinierte Ort. „Auch wenn symbolische Handlungen in der Geschichte verwurzelt sind, ist dieses Ritual noch jung.“

Seit Beginn der 1990er Jahre zieren die Symbole der ewigen Liebe die Milvinische Brücke in Rom, bevor der „Luccetti d’Amore“ vor rund drei Jahren vom Tiber an den Rhein wanderte — und sich seitdem weiterentwickelte.

„Inzwischen bringen auch Familien ein Schloss an und hängen für jedes Neugeborene ein weiteres auf“, sagt Hänel. Am goldenen Schloss von „Alex & Bine“ an der Neustraße hängt ein kleines, auf dem „Sophia 7. 7. 2010“ steht.

Im Ostseeraum, zum Beispiel in Kaliningrad, werden die Liebesschlösser auch von Brautpaaren nach der standesamtlichen Hochzeit angebracht. „In Neuss habe ich davon noch nichts mitbekommen“, sagt Standesamtleiter Harald Weber. Gleichwohl ist das Ritual der Stadt bekannt.

„Solange das nicht Überhand nimmt oder die Brücke saniert werden muss, dulden wir die Schlösser“, sagt Stadtsprecher Sascha Severin. Ein Einsturz wie der einer behangenen Brückenlaterne am Tiber ist bei 92 Schlössern nicht zu befürchten. Und eine Beseitigung, die in Köln, Düsseldorf und Gelsenkirchen diskutiert wurde oder noch wird, sei kein Thema.

Die Neusser können sich also noch länger an den ausgefallenen Liebesschwüren erfreuen. „So ein Schloss garantiert natürlich nicht die ewige Liebe“, sagt Hänel. „Aber vielleicht hilft es Paaren, Krisen zu meistern und macht ihnen bewusst, dass die Liebe ein besonderes Geschenk ist.“

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