Dormagen: Fünf Tage geht der Sammy-Spuk

Rückblick: Im Juli vor 15 Jahren hielt ein kleiner Alligator die Republik in Atmen. Von seinem Besitzer ausgebüchst, wird schließlich geschnappt.

Dormagen. Alles beginnt vor 15 Jahren ganz harmlos, nämlich mit einer kleinen Polizeimeldung am Wochenende: "Das Baden im Nievenheimer See ist verboten. Der Strand geräumt." Denn der Reptilienfreund Jörg Zars hat seinen Kaiman in einer Sporttasche an den Baggersee geschmuggelt und an einer Leine spazierengeführt. Für den Grevenbroicher sollte das eine Riesengaudi werden, doch dann folgt der Riesenärger - und zugleich der größte Medienrummel, den Dormagen je erlebt hat und der die Stadt weltweit in die Schlagzeilen bringt.

Denn Kaiman Sammy reißt sich von der Leine los und verschwindet im See. "Wir sind dann am Montag zum See und erst am Freitag, als der Spuk vorbei war, wieder zurück nach Hause", erinnert sich Guido Schenk. Der heutige Stadtmarketingchef war vor 15 Jahren Pressesprecher der Stadt. Bis zu 40 Interviews hat er in dieser Woche täglich den Medien gegeben. "Sogar Radiosender aus Sarajewo haben angerufen. Dabei befand sich das Land mitten im Balkankrieg. Als ob es nichts Wichtigeres zu berichten gäbe", sagt Schenk. Im Nachhinein betrachtet sei damals mit der Gefahr, die vom Alligator ausging, übertrieben worden. "Es hätte vielleicht einen Biss gegeben, aber die Reaktionen reichten ja bis zur Hysterie."

Nicht nur für Pressesprecher Schenk, die Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamtes und die DLRG-Rettungskräfte waren die fünf Tage im Sommer eine ungewöhnliche Situation, auch für die Polizei und deren Sprecher Hans-Willi Arnold. "Ich glaube, ich habe in dieser Woche nur vier Stunden geschlafen. Vor allem das Fernsehen hat erwartet, dass wir vor Ort präsent sind: vom Frühstücksfernsehen bis zum Nacht-Journal", blickt er zurück.

Während sich die Medien am See tummeln, bleiben die Badegäste in den heißen Sommertagen ausgesperrt und betrachten das Spektakel vom Zaun aus - mit Ferngläsern und Sonnenschirmen bewaffnet. Mit Sammy selbst verhält es sich wie mit Nessie: So mancher will den Alligator gesehen haben, und dann ist das gut ein Meter lange Reptil auch schon wieder verschwunden. Schenk hat damals im Spaß gefordert, den Alligator zu erschießen und ausstopfen zu lassen. Aus dem Spaß wurde aber Ernst. "Nachts sind zwei Boote raus, die Besatzung war mit Jagdwaffen ausgestattet. Es wurde auch geschossen", erinnert sich Schenk.

Daraufhin die ungewöhnliche Pressemeldung der Polizei: "Entwarnung: Kaiman Sammy ist zu 95 Prozent tot." Doch der Alligator wird kurz darauf gesichtet. Es werden Fangnetze ausgeworfen. "Manche wollten den Kaiman auch mit Sprengstoff erledigen", sagt Schenk. Und Arnold bestätigt, dass es damals die aberwitzigsten Angebote gab, den Alligator zu fangen. Der Schießbefehl für Sammy wird nach Protesten wieder aufgehoben.

Die einfachste Methode ist dann die wirksamste: "Damit die Medien nichts davon erfahren, habe ich an einem Autobahnrastplatz einen Reptilienexperten abgeholt. Der hat ihn dann im Tauchanzug einfach aus dem Wasser geholt", erzählt Schenk. Denn der Alligator ist nach fünf Tagen wegen der Kälte des Sees steif und bewegungsunfähig.

Für Besitzer Zars hat das Spektakel ein Nachspiel: Er muss Sammy nicht nur an einen Tierpark abgeben, sondern auch die Kosten für den Einsatz und den Ausfall der entgangenen Einnahmen am Badesee erstatten. "Das hat dann aber die bekannte Mode-Marke mit dem Krokodil übernommen", weiß Schenk.

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