Diese Frikos schmecken den Toten Hosen

Richard Nicolaus ist Experte für Buletten aller Art und führt „Miller’s Cantine“ am alten Schlachthof im Neusser Barbaraviertel.

Neuss. Sie ist keine Schönheit, meist dunkelbraun und rund. Dennoch: Alle mögen sie. Die Rede ist von der Frikadelle, auch Fleischpflanzerl oder Bulette genannt. Die Gehacktes-Klöße gibt es in aller Herren Ländern — als Köfte in der Türkei, als Köttbullar in Schweden oder als Qyfte im Kosovo. In Kneipen gibt es sie als Snack — mit Senf. Meist befindet sich dort eine ganze Batterie Frikos auf einer großen Platte, abgedeckt von einer Glasglocke, auf dem Tresen. Metzgereien bieten sie an, für den kleinen Hunger zwischendurch. Oder mal eben schnell zum Mitnehmen. Sie wird kalt und warm gegessen, denn die Geschmäcker sind ja verschieden.

Nein, für die Frikadelle ist der Hamburger keine Konkurrenz. Sie ist eine Institution. Das meint auch einer, der es wissen muss: Richard Nicolaus — ein Zauberer am Herd und Experte für Buletten und Hamburger gleichermaßen. Die Toten Hosen haben ihn sogar geadelt und ihm ihre Platin-CD von „Unsterblich“ geschenkt — mit der Widmung „Richie für all die ganzen Buletten und sonstigen Nährstoffe“. Bei Campino & Co. gilt er als Gottvater der Frikadellen, denn er war ihr Leibkoch auf Tournee, ehe er sich mit seinem Restaurant km 747 selbstständig machte.

Dabei ist der 65-Jährige eigentlich studierter Ingenieur und arbeitete in der Maschinenfabrik seiner Familie an der Pfalzstraße. Mitte der 90er Jahre war er nicht mehr als ein Hobby-Koch, der für Freunde und Familie stundenlang in der Küche stand. Aus Spaß arbeitete er am Wochenende im legendären Olio an der Düsseldorfer Pfalzstraße. „Dort lernte ich, Frikadellen zu braten. Dort lernte ich auch Jochen Hülder, den Manager der Hosen, kennen.“

Richard Nicolaus, Koch

So ganz nebenbei absolvierte Nicolaus als Mittvierziger eine Kurz-Lehre auf der Brühler Augustusburg, kochte aber im Olio weiter, bis er offizieller Koch der Toten Hosen wurde. „Die liebten Frikadellen in allen Varianten“, sagt er. Denn bei der Bulette kommt es auf die richtige Mischung der Gewürze, Brot und Fleisch an. Ob Gehacktes vom Rind, Kalb, Huhn oder Schwein (dann aber mit Rind gemischt), die Hosen waren gute Abnehmer. Nicolaus verfeinerte seine Frikos immer mehr: Gefüllt mit Käse, am besten Ricotta, schmeckt sie ihm am besten. Aber auch mit Spinat, der unter die Masse gemischt wird, sei sie sensationell. Logisch, dass die Frikadelle mit Senf gegessen wird. „Aber nicht mit scharfem“, sagt Nicolaus, „das überdeckt den Geschmack. Senf soll ihn nur anheben, nicht zerstören.“ Er bevorzugt seine eigene Senfmischung.

Als der Meister der Bulette sich mit seinem km 747 selbstständig machte, konnte er von der Frikadelle nicht lassen. Sie gab es in Miniversion als Amuse bouche, als Gruß aus der Küche. Weil es privat nicht mehr klappte, zog sich Richard Nicolaus zurück und machte eine dreijährige Kochpause, ehe er wieder ins Gehacktes-Geschäft zurückkam — als Hamburger-König. Er zählte vor mehr als drei Jahren zu den ersten, die den Hamburger-Boom erkannten.

Der Maître ist Düsseldorfs Initiator der Edel-Burger. Mit Hamburgern und deren Geschmackskombinationen hat er sich schon Jahre zuvor beschäftigt — auf seinen USA-Reisen. Inzwischen hat er im Rheinland die dollsten Dinge kreiert. Seine Soßen sind allesamt selbst gemischt und ein Genuss. Ob mit karamellisierten Zwiebeln, Avocado, oder gebratenem Speck — alles kann zwischen die beiden Brötchenhälften (Buns genannt) und dem Fleisch (Patties). Den Variationen sind keine Grenzen gesetzt. Doch der Frikadellen-Experte mag es lieber puristisch: Gutes Fleisch fürs Patty, ein Brötchen, Tomate und eine Scheibe kräftigen Käse (seine Frau Rose bevorzugt dagegen Gorgonzola). Das reicht ihm, natürlich mit guten Sößchen. Wichtig ist auch noch: „Der Burger muss mit den Fingern gegessen werden.“

Nur Hamburger, das war dem Spitzenkoch zu wenig. Seit dem, Frühjahr stellt er sich einer neuen Herausforderung: Miller’s Cantine an der Büdericher Straße in Neuss am alten Schlachthof. Auch wenn er sich wieder der Sterneküche nähert, zwei Burger-Gerichte auf der Karte müssen sein. „Das geht heute gar nicht mehr anders“, sagt er. Und sein Black-Angus-Patty grillt er nicht, sondern brät es scharf an, wie seine Frikadellen. Dann lässt er es im Backofen ziehen. Und das Lieblingsgericht von Nicolaus: eine lauwarme Frikadelle zwischen einem knusprigen Brötchen mit ein wenig Senf und etwas Butter, die dann im Brötchen schmilzt.

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