Die Leitstelle spricht viele Sprachen

Mitarbeiter können sich dank Lautschrift in mindestens sechs Sprachen mit ausländischen Anrufern verständigen.

Die Leitstelle spricht viele Sprachen
Foto: A. Woitschützke

Rhein-Kreis. Wer in der Kreisleitstelle arbeitet, muss ausgebildeter Feuerwehrmann und Rettungsassistent sein. Dass er mehrere Sprachen spricht, wird nicht verlangt. Und doch ist die Einsatzzentrale für die Rettungsdienste das vielleicht internationalste „Büro“ im Kreis — und das hat jetzt 50 Flüchtlingen, die in der Ägäis in Seenot geraten waren, das Leben gerettet.

Zwischen dem eingehenden Notruf unter der Nummer 112 und dem Ausrücken von Feuerwehr und Rettungsdienst sollten nicht mehr als 90 Sekunden vergehen. So schreibt es der Rettungsdienstbedarfsplan vor.

Um dieses Zeitfenster einhalten zu können, muss die Verständigung zwischen Anrufer und Leitstellenmitarbeiter so funktionieren, dass der schnell erkennt, um welche Art Einsatz es sich handelt — und was zu veranlassen ist. „Die Kommunikation hat sich aber total verändert“, sagt Thomas Dilbens, seit zwölf Jahren Leiter der Leitstelle. Immer mehr Anrufe gehen über eine Handy-Verbindung ein, immer öfter meldet sich der Anrufer in einer fremden Sprache. Aber welcher?

Wenn das nicht gleich deutlich wird, gibt es die Möglichkeit, den Anruf — während parallel noch gesprochen wird — in der Kurzzeitdokumentation abzuhören. Zur Not mehrfach. So verfuhr auch der Mitarbeiter, als sich am zweiten Weihnachtsfeiertag ein Flüchtling aus der Sammelunterkunft im ehemaligen Alexius-Krankenhaus meldete. Er war — wie sich später herausstellte — von einem Verwandten angerufen worden, der mit 50 anderen Flüchtlingen vor griechischen Inseln in einem Boot trieb, das zu sinken drohte. Nur eine halbe Stunde später ging schon die Nachricht ein: Die Rettungsaktion ist angelaufen.

Das gelang, weil der Anrufer als Araber identifiziert werden und sofort die Außenstelle der Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate in Bonn als „Übersetzer“ hinzugezogen werden konnte. Und als klar war, dass sich in Griechenland eine Tragödie abzeichnete, nahmen die Leitstellenmitarbeiter Kontakt zum griechischen Konsulat in Düsseldorf auf. „Wir haben die Nummern aller Botschaften ringsum in unser Rettungssystem eingepflegt“, erklärt Dilbens, dessen Team Technik im Wert von zwei Millionen Euro zur Verfügung steht.

Weitere Konsequenzen aus dieser geglückten Rettung müssen seiner Ansicht nach nicht gezogen werden, sagt er. Denn die Leitstelle hatte sich schon vorher dem Problem Mehrsprachigkeit gestellt und vorgesorgt. Inzwischen spricht sie sechs Sprachen. Mindestens, kann man sagen. Lothar Tetard, bei der Leitstelle für Einsatzplanung und -vorbereitung zuständig, schult die Kollegen in der Gesprächsführung und hat dazu einen Fragenkatalog erarbeitet, der auf jedem Leitstellenrechner in derzeit sechs Sprachen abrufbar ist. In der sogenannten Lautschrift, damit auch die Aussprache selbst türkischer oder russischer Wörter so gelingt, dass der Anrufer den Leitstellenbeamten auch versteht. Weil jede Frage dabei so formuliert ist, dass es nur ein „Ja“ oder „Nein“ zur Antwort geben kann, kommt immer ein verwertbares Einsatzstichwort heraus. „Ist ein polnischer Anrufer in der Leitung, können wir zur Not polnischstämmige Kollegen von der Feuerwehr hinzuziehen“, sagt Dilbens. Manchmal helfe auch eine Fachinformatikerin aus Afghanistan, die fünf Sprachen spricht.

Dass nicht immer die vorformulierten Fragen helfen, den Anrufer schnell zu verstehen, hat Leitstellenmitarbeiter Christoph Müller jüngst erlebt. Er hatte eine Spanierin am Apparat. „Es dauerte quälend lange“, erinnert er sich, bis klar war: Die Frau hatte sich verwählt — und suchte ihren Handy-Anbieter.

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