Das älteste Haus der Stadt sucht einen neuen Mieter

Das Gebäude an der Michaelstraße eignet sich etwa für Gastronomie.

Das älteste Haus der Stadt sucht einen neuen Mieter
Foto: jasi

Neuss. Als das Gebäude an der Michaelstraße, an dem heute die rote Hausnummer 69 prangt, erbaut wurde, waren William Shakespeare und Galileo Galilei gerade einmal sieben Jahre alt. Das Jahr 1571 scheint so weit entfernt wie eine Reise in eine andere Galaxie. Im Herzen von Neuss ist ein Teil dieser Epoche greifbar. Doch aktuell fristet das älteste Haus der Stadt ein eher tristes Dasein. Denn seit wenigen Monaten steht es leer.

Ein Café, eine Goldschmiede und ein Bekleidungsgeschäft zählen zu den ehemaligen Nutzern des denkmalgeschützten Hauses. Zuletzt gab es dem „Haus Samadhi“ eine Heimat: Ein alternatives Gesundheitshaus, in dem auf drei Etagen unter anderem Yoga-Kurse, Sterbe- und Trauerbegleitung sowie Beratungen angeboten wurden. Im hauseigenen Café standen vegetarisches und veganes Essen sowie yogische Getränke, wie etwa Bio-Limonade oder Fair-Trade-Kaffee, auf der Speisekarte.

Zuständig für die Vermarktung des Hauses ist das Maklerbüro „Atis Immobilien“ mit Sitz in Korschenbroich um Gründer und Inhaber Andre Thiel. Mit dem Titel „Arbeiten im ältesten Haus von Neuss“ wird auf der Internetseite für das Gebäude geworben. Als Vorteile werden sowohl die zentrale Lage in unmittelbarer Nähe der Haupteinkaufsstraße, ein umliegendes Restaurant und die Sparkasse sowie weitere regionale Unternehmen, die dort angesiedelt sind, genannt.

Nach Angaben von Thiel wünscht die Besitzerin des Hauses — eine Neusserin — einen Mieter, dessen Konzept zu dem Stil des Gebäudes passt. „Es hat bereits ein paar Anfragen gegeben, aber da war noch nichts Passendes dabei. Es wird etwas mit langfristiger Perspektive gesucht“, sagt Thiel, der die Atmosphäre in dem markanten Fachwerkhaus aus rot-braunem Backstein mit Spitzdach, großen Fensterfronten und roten Fensterläden als „besonders“ bezeichnet. Geeignet sei das Gebäude unter anderem für eine Kanzlei oder Büros — aber auch für Gastronomie.

Letzteres würde sich auch Jürgen Sturm, Geschäftsführer von Neuss Marketing, für das älteste Haus in Neuss wünschen, das 1982 vollständig restauriert und an den heutigen Standard angepasst wurde. „In diesem Bereich gibt es viele gastronomische Betriebe. Darum würde es sich auch für diese Immobilie anbieten. Historisch und städtebaulich hat das Haus einen besonderen Stellenwert für die Neusser Innenstadt“, sagt Sturm.

Aber dass das Fachwerkhaus bis heute in einem guten Zustand ist, ist keine Selbstverständlichkeit: Im Jahr 1585, während des Kölner Kriegs, eroberte Graf Adolf von Neuenahr Neuss und zerstörte Burgen und Höfe im Umland. Im Juli 1586 wurde die Stadt von der Flandrischen Armee belagert. Neuss wurde von knapp 1600 Soldaten verteidigt; schließlich gelang jedoch die Eroberung. Die Stadt wurde in Brand gesetzt; alle Soldaten und rund 3000 der 4500 Einwohner wurden ermordet. Nur acht Häuser blieben verschont — darunter auch das Gebäude, an dem heute die rote Hausnummer 69 prangt.

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