„CDU und Grüne tun mir ein bisschen leid“

SPD-Urgestein Ingo Stolz über Reiner Breuer, den Rat und die Macht der Ortsvereine.

„CDU und Grüne tun mir ein bisschen leid“
Foto: woi

Herr Stolz, Sie stehen nicht in dem Verdacht, zum Reiner-Breuer-Fanclub zu gehören. Macht er seine Sache als Bürgermeister gut?

Ingo Stolz: Ich denke ja. Er hat ein schwieriges Amt übernommen und aus meiner Sicht noch keine Fehler gemacht.

Ist es ein Risiko für eine Partei, wenn nur noch der Bürgermeister als Frontmann wahrgenommen wird, die Breite dahinter aber nicht?

Stolz: Das ist für alle Beteiligten ein Risiko, auch für Reiner Breuer persönlich. Diese Fokussierung lenkt von allem ab: den Themen, der Sacharbeit. Und das nutzt keinem, auch nicht denen, die dieses Spiel machen. Angebracht wäre, den Gegner in den Fokus zu nehmen und da zu halten. Das aber ist anstrengender, als auf den Frontmann zu schielen und sich hinter ihm zu verstecken.

Die CDU hatte mit Herbert Napp mitunter ihre liebe Not, wenn der Initiativen startete und die Fraktion hinterherlaufen und eine Mehrheit sichern musste. Droht das der SPD auch?

Stolz: Nein. Ich denke, bei uns in der SPD sind wir Gott sei Dank etwas anders gepolt. Ich war ja auch einer, der in der Fraktion eine eigene, abweichende Meinung vertreten hat. Einen Hartmut Rohmer kann man auch nicht so einfangen. Und davon haben wir einige, auch bei den jungen Strategen wie Sascha Karbowiak oder Hakan Temel. Die sind durchaus integer, mit denen kann Breuer nicht Schlitten fahren.

Aber die Fraktion hat sich doch schon verändert. Breuer tritt sein Bürgermeisteramt an — und erstmals seit Jahren trägt die SPD den Haushalt mit. Das klingt nach Verbiegen.

Stolz: Nein, das ist die normative Kraft des Faktischen.

Aktuell machen CDU und Grüne mit ihrer starken Position im Rat dem Bürgermeister die Räume eng.

Stolz: Die tun mir ein bisschen leid. Sie haben sich noch nicht gefunden. Die sind noch immer mit sich, dem Wahlergebnis, dem Kandidatenkarussell beschäftigt. Im Arbeitsmodus ist zumindest die CDU noch nicht angekommen. Selbst zu denken sind die auch schlicht nicht gewohnt. Was die zu beschließen hatten, wurde ihnen früher von der Verwaltung einfach vorgekaut. Ich behaupte sogar, dass deren Anträge in der Verwaltung formuliert wurden. Deswegen hat Reiner Breuer ja als erstes den Zugriff der CDU auf Beigeordnete und Verwaltung zu kanalisieren und einzuschränken versucht. Und die Grünen — sind eigentlich nur grün lackierte Schwarze. Waren die immer schon.

Aber das löst ja Breuers Probleme im Rat nicht, so lange Grüne, CDU und FDP eine Mehrheit haben. Was muss er denn tun, um in eine gestaltende Rolle kommen zu können und eine Mehrheit dafür zu finden?

Stolz: Gelassenheit. Das wäre mein Rat. Auf der Linie bleiben — und die anderen ins Leere laufen lassen, sie als ewige Stänkerer erkennbar machen.

Aber hat Breuer die Zeit? Er ist gewählt worden, weil die Leute Veränderung wünschen. Muss er nicht irgendwann auch mal liefern?

Stolz: Das sagen Sie. Das sagt der politische Gegner auch — aber nur, damit die Wähler denken: Breuer tut nichts. Die wollen den Nimbus aufbauen, Breuer würde nichts liefern, und gleichzeitig sorgen sie dafür, dass er nichts liefern kann.

Das kann auch ein Bumerang für CDU und Grüne werden. Und wenn die Koalition den Bürgermeister am ausgestreckten Arm verhungern lässt,…

Stolz: …könnte ein Solidarisierungseffekt für den Bürgermeister eintreten, ja. Das setzt aber natürlich voraus, dass die Leute selber denken.

Über die Fraktion haben wir gesprochen, welche Rolle spielen in dem Konzert denn die sieben SPD-Ortsvereine und der Stadtverband? Kommt von denen genug?

Stolz: Leider nein. Das ist ein Unterschied zwischen SPD und CDU. Die Stellung der Ortsvereine in der SPD war früher viel stärker, als beim politischen Gegner. Doch während deren Einfluss bei uns sinkt, scheint er bei der CDU zu steigen. Die ist dabei, sich über die Ortsverbände neu aufzustellen, aus denen sie neue Kraft zu schöpfen versucht. Das ist eine gute Strategie — wenn es klappt.

Als Büroleiter eines Bundestagsabgeordneten haben Sie erlebt, wie Karrieren, die an einem Wahlerfolg hängen, scheitern können. Was muss passieren, damit Breuer das 2020 nicht widerfährt?

Stolz: Er sollte nicht ausschließlich die Sacharbeit in den Vordergrund stellen. In der Beziehung zu und zwischen Menschen gibt es auch andere Dinge. Emotionen, zum Beispiel. Er muss daran arbeiten, auch das Bauchgefühl der Leute anzusprechen. Kurz: Breuer darf sich nicht selbst aus den Augen verlieren.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort