Blutspende: Für zehn Minuten an der Nadel

Ein Selbstversuch: Ein halber Liter Blut ist leicht zu verschmerzen.

Neuss. „Es kann jetzt ein bisschen piksen. Schon passiert.“ Das Blut rinnt aus meiner Armbeuge durch den Schlauch in den Beutel. „Geht’s?“, fragt Arzthelferin Silke Wagner. Es geht. Ich spende zum ersten Mal Blut, und ich bin ziemlich nervös. Aber die gut gelaunten Ärzte, Arzthelfer und Ehrenamtler des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) vermitteln Gelassenheit. Auch die anderen Spender, die mit der Kanüle im Arm auf den Liegen im Rheinischen Landestheater Platz genommen haben, scheinen die Ruhe selbst zu sein.

Etwa 40 Spender erwartet Rosemarie Richter an diesem Tag. 4137 Spenden waren es im Rhein-Kreis Neuss im vergangenen Jahr. Die 69-Jährige ist ehrenamtliche Blutspendenbeauftragte beim Blutspendedienst West des DRK. Mit ihrem Team bereitet sie jährlich rund 45 Termine in Neuss vor. Sie kauft ein, schmiert Brötchen, baut das Buffet auf, versorgt die Spender mit Getränken und passt auf, dass alles reibungslos verläuft. „Es kommen vorwiegend ältere Menschen“, sagt sie. „Obwohl wir versuchen, unsere Termine so zu legen, dass man auch nach Feierabend kommen könnte.“

Bevor es losgehen kann, wird der potenzielle Spender durchgecheckt. Ein Fragebogen über die Krankheitsgeschichte oder etwaige gesundheitliche Probleme muss ausgefüllt werden. Dann misst einer der Ärzte die Temperatur und testet den Eisengehalt im Blut. Stimmen die Werte, geht es in einen abgeschlossenen Raum zu Katja Schrickel. Die Ärztin ist beim DRK angestellt.

Sie schaut sich den Fragebogen an und fragt nach: „Haben Sie wirklich in den letzten Wochen keine Medikamente eingenommen?“ Da fällt mir das Aspirin gegen Kopfschmerzen aus der vergangenen Woche ein. Das wird vermerkt, denn für Säuglinge kann mein Blut nun nicht verwendet werden. Dann liege ich, und Silke Wagner klemmt mir die Vene ab. Ein halber Liter wird mir abgenommen. Das dauert etwa zehn Minuten.

In einer Plastikkiste werden die Blutkonserven noch am selben Tag nach Breitscheid in die DRK-Zentrale gebracht. Das Blut ist nicht lange haltbar, die Fracht kostbar. Ein Beutel roter Blutkörperchen ist etwa 83 Euro wert. Blutplasma ist deutlich teurer.

Noch in der Nacht beginnt das Labor in Hagen, die einzelnen Bestandteile aus der so genannten Vollblutspende zu filtern. Parallel dazu prüft das Labor in Breitscheid Proben auf Krankheiten. „Drei Produkte werden erstellt“, sagt Heinz Kapschak, Sprecher des Blutspendedienstes West. „Blutplasma, rote Blutkörperchen und Thrombozyten.“

Die Produkte werden dem Patienten einzeln verabreicht, das ist schonender als die Vollblutspende. Einen Tag, nachdem das Blut aus der Vene des Spenders geflossen ist, kann es schon an die Kliniken verkauft werden.

Kapschak betont: „Wir arbeiten nicht gewinnorientiert. Wir machen zwar einen großen Umsatz mit dem Blut, es ist immerhin ein wertvolles Organ, aber kaum Gewinn.“ 130 Euro koste das DRK jede Blutspende, darin stecken vor allem Material- und Personalkosten. Von einem Gewinn, der etwa bei einem Euro pro Spende liege, würden Verluste aus weniger lukrativen Spende-Jahren ausgeglichen. „Uns ist wichtig, dass die Spender freiwillig kommen. Deshalb gibt es bei uns auch kein Geld“, sagt Kapschak.

Nach zehn Ruheminuten darf ich aufstehen. Am Brötchenbuffet stehe ich neben Edeltraud und Willi Meier aus Neuss. Die Blutspenden sind fester Bestandteil ihres Kalenders. „Ich finde das einfach wichtig. Uns schadet es nicht, und man tut etwas Gutes damit“, sagt Edeltraud Meier.

In wenigen Wochen bekomme auch ich meinen Blutspendeausweis per Post zugeschickt. Ich werde wiederkommen, denn bei aller Kritik an dem vermeintlichen Geschäft mit dem Blut — auch ich kann nach einmal auf eine Blutspende angewiesen sein.

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