Clemens-Sels-Museum Neuss Ausstellung in Neuss: Wie die Fotografie die Porträtkunst beeinflusste

Wie die Fotografie die Porträtkunst des 19. und 20. Jahrhunderts beeinflusste, zeigt eine Ausstellung im Neusser Clemens-Sels-Museum. Sie zeigt fast 100 Arbeiten aller Genres — von Zeichnungen über Malerei bis hin zur Bildhauerei und Buchkunst.

Clemens-Sels-Museum Neuss: Ausstellung in Neuss: Wie die Fotografie die Porträtkunst beeinflusste
Foto: Fotos: Sels-Museum

Neuss. Ihr Blick ist warmherzig, der schwarze Hut umrahmt das blasse, aber doch fast lächelnde Gesicht der jungen Frau. So porträtierte Franz von Stuck (1863-1928) seine uneheliche Tochter Mary. Bis 1917 schuf er mehr als 100 Bildnisse von ihr. Mary inspirierte den Jugendstil-Maler. Als Vorlage nutzte von Stuck allerdings vielfach Fotografien, die er eins zu eins abpauste.

Clemens-Sels-Museum Neuss: Ausstellung in Neuss: Wie die Fotografie die Porträtkunst beeinflusste
Foto: dpa

Nur kleine Schönheitsfehler korrigierte er, malte das Dekolleté etwa nicht ganz so freizügig oder stellte die Gesichtszüge sanfter dar. Dass auch andere Künstler diese Methode für sich entdeckten, zeigt die aktuelle Ausstellung „Wunsch und Wirklichkeit — der Einfluss der Fotografie auf das Porträt im 19. und 20. Jahrhundert“ im Neusser Clemens-Sels-Museum.

Kuratorin Romina Friedemann durchforstete den Bestand des Museums und recherchierte Bildquellen. Dabei stieß sie auf zahlreiche Fotovorlagen, die mit dem entsprechenden Werk des Künstlers korrespondieren. Wie sehr sich Künstler beeinflussen ließen, zeigt etwa das Porträt des Dichters Charles Baudelaire — gemalt von Édouard Manet. Ein Vergleich zwischen einer Aufnahme des französischen Fotografen Nadar und der Radierung zeigt, dass Manet die wechselnden Licht- und Schattenzonen der Fotografie nahezu komplett übernahm.

Auch Franz von Stuck pauste zahlreiche Fotos seiner Frau oder Tochter auf der Leinwand durch. Zu Lebzeiten vertuschte er die Fotografien. „Erst in den 1960er Jahren fand man in seinem Nachlass rund 110 Fotos“, berichtet Romina Friedemann. Auf den Aufnahmen seien noch Griffelspuren der Pauslinien zu erkennen.

Die Ausstellung zeigt fast 100 Arbeiten aller Genres — von Zeichnungen über Malerei bis hin zur Bildhauerei und Buchkunst. Dazu zählen auch Porträts des Sammlers Clemens Sels, der dem Neusser Museum seinen Namen gab, ein Bild von Gabrielle Vallotton, das ihr Mann Félix Vallotton malte, sowie Fernand Khnopffs Weihrauch — aber auch Bilder von Paul Cézanne, Henri Toulouse-Lautrec, Marc Chagall, Auguste Renoir, Käthe Kollwitz und Max Liebermann.

Die Ausstellung ist in fünf Kategorien unterteilt: Musen und Modelle, prominente Köpfe, das Porträt als Rollenbild, Künstler porträtieren Künstler und Selbstporträts. Apropos: Die Technik der Fotografie könnte auch den Stil beeinflusst haben. Fast alle großen Künstler fertigten Selbstporträts von sich an — so etwa wie Otto Dix. Die Erfindung des Selbstauslösers ermöglichte es dem Künstler, ein Profilfoto von sich als Vorlage zu erstellen, anstatt das Spiegelbild als „Selfie“ zu nutzen.

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