Ausbildungen: Geringe Vergütung schreckt viele ab

Hendrik Adams und Sonja Laufenberg machen eine Ausbildung zum Orthopädietechniker.

Neuss. Sonja Laufenberg (22) und Hendrik Adam (23) machen eine Ausbildung, die auf der Beliebtheitsskala der Ausbildungsberufe wohl eher nicht in den Top 10 steht. Sie lassen sich beim Meerbuscher Sanitätshaus Brockers zu Orthopädietechnikern ausbilden.

Wie kommt man als junger Mensch auf die Idee, eine solche Ausbildung zu absolvieren? In der WZ-Serie berichten wir über junge Menschen in ungewöhnlichen Ausbildungsberufen.

Bei Sonja Laufenberg lag die Wahl wohl in den Genen. „Meine ganze Familie ist in der Branche“, erzählt sie. „Meine Eltern haben ein eigenes Unternehmen in Oberhausen, so habe ich den Beruf von klein auf kennengelernt.“

Bei Hendrik Adams war es ein Praktikum in der 8. Klasse. Das hat ihn auf den Geschmack gebracht, lernen zu wollen, wie man Prothesen herstellt oder Einlagen fertigt — alles passgenau und für jeden Patienten unterschiedlich. „Für mich wäre ein reiner Bürojob nichts. Es sollte ein handwerklicher Beruf sein. Und da das Praktikum mir schon so gut gefallen hatte, entschied ich mich dazu, hier die Ausbildung zu machen.“

Für Sonja Laufenberg war es fast schon kritisch, einen geeigneten Ausbildungsplatz zu finden. Zunächst einmal entschied sie sich gegen ihren Erstwunsch, eine Ausbildung zum Technischen Zeichner, als klar war, dass sie doch in die Fußstapfen ihrer Eltern treten wollte. Dann musste sie einen Betrieb finden, der weit genug weg war, um den Eltern keine Konkurrenz zu machen, aber nah genug, um pendeln zu können, denn: „Von unserem Ausbildungsgehalt kann man sich keine Wohnung leisten.“ Nur knapp über 200 Euro monatlich gibt es im ersten Lehrjahr. „Das schreckt viele ab“, sagt Laufenberg.

Sie selbst hat sich dennoch dafür entschieden. Während Adams die klassische Ausbildung mit Berufsschule macht, geht Laufenberg neben der praktischen Ausbildung noch zur Uni. Die 22-Jährige absolviert ein duales Studium — in der Branche eine Neuheit. Im zweiten Ausbildungsjahr ist sie fast ausschließlich in der Fachhochschule in Steinfurt. In den Semesterferien arbeitet sie in der Werkstatt des Sanitätshauses Brockers im Lukaskrankenhaus in Neuss. Und das ist — da sind sich beide einig — die schönste Zeit in der Ausbildung. „Die Arbeit in der Werkstatt macht am meisten Spaß“, sagt Adams. Hier helfen die beiden den Meistern beim Fertigen von Prothesen.

Zur Ausbildung gehört auch der Kontakt zum Kunden. Denn am Anfang steht ein Besuch bei demjenigen, der eine Prothese, eine Orthese (mechanische Unterstützung für Gelenk oder Glieder) oder eine Schuh-Einlage braucht. Besonders bei frisch amputierten Patienten brauchen die Auszubildenden starke Nerven. „Der Umgang mit Verletzungen war anfangs schwierig“, sagt Laufenberg. „Ich bin auch einmal umgekippt. Aber mit der Zeit schaut man mit einem professionellen Blick hin, ohne alles zu sehr an sich heranzulassen.“

Die Ausbildung empfehlen beide. „Sie ist einfach extrem vielseitig. Neben dem Handwerk lernt man auch Aspekte aus dem Einzelhandel und dem medizinischen Bereich kennen.“ Adams will nach einigen Gesellenjahren seinen Meister machen. Laufenberg möchte nach dem Studium als Ingenieurin in die Industrie. Die Berufsaussichten sind mit Blick auf den demografischen Wandel gut.

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