Weihnachten in Meerbusch Kein Weihnachten ohne Glockengeläut

„Süßer die Glocken nie klingen, als zu der Weihnachtszeit” – auch in Meerbusch wäre das kirchliche Hochfest Christi Geburt ohne Geläute der Glocken kaum vorstellbar.

 Die Schutzengelglocke hängt in St. Stephanus in Lank-Latum.

Die Schutzengelglocke hängt in St. Stephanus in Lank-Latum.

Foto: Theo Haefs

Ein metallisches Klicken erklingt auf dem Platz vor der Kirche St. Stephanus in Lank-Latum. Etliche Lanker heben den Blick zu dem über 800 Jahre alten Glockenturm, während durch die Schallöffnungen ein erster, fast schüchterner Glockenschlag erklingt. Schnell stimmen die übrigen Glocken mit ein, und in immer schnellerer Folge erklingt das volle Geläut für rund fünf Minuten und ruft die Menschen zum weihnachtlichen Gottesdienst zusammen.

Wer genau hinhört, erkennt bald, dass sich die Glocken der evangelischen Kreuzkirche dazugesellt haben. Seit 1993 der Glockenturm an der Nierster Straße errichtet wurde, sind das katholische und das protestantische Geläut von den Tönen her aufeinander abgestimmt, so dass über ganz Lank-Latum ein harmonischer Glockenklang liegt.

„Für die Menschen damals war es unglaublich bedeutsam, einen Glockenturm zu bekommen. Viele waren 1945 vertrieben worden und vermissten in ihrer neuen Heimat ihre Kirchenglocken schmerzlich”, erinnert sich die Lanker Pfarrerin Heike Gabernig. Ursprünglich hatten die Protestanten nur ein kleines Glöckchen aus dem Jahr 1928, das die Gläubigen vom Giebel der alten Kirche zusammenrief. Beim Turmbau wurde diese Glocke in die Außenwand eingemauert. Im Turm hängen insgesamt drei Glocken, deren Besichtigung jedes Jahr die Konfirmanden als besonderes Erlebnis begeistert, erzählt Gabernig.

Seit Generationen gehört dieses akustische Erlebnis nicht nur im Ortsteil Lank-Latum für die Menschen zu Weihnachten dazu. Der Büdericher Küster Josef Weiler erklärt, dass eine Viertelstunde vor den Festgottesdiensten alle Glocken für etwa fünf Minuten geläutet werden, um die Menschen zur Eucharistiefeier zu rufen. Es gibt aber auch andere Gründe, die Glocken zu läuten: etwa beim Tod des Papstes, zu Beerdigungen oder bei wichtigen, freudigen Ereignissen. Die Osterather haben es im Jahr 1804 allerdings einmal kräftig übertrieben: Als nämlich Napoleon auf dem Weg nach Düsseldorf an Osterath vorüber kam, mussten die Glocken zu Ehren des Kaisers geläutet werden, und dabei bekam die große einen Sprung, sodass sie fortan nur noch blechern klang und wegen der immensen Kosten erst Jahre später ersetzt werden konnte.

Seit jeher ist es Aufgabe des Küsters, die Glocken zu läuten. In Zeiten, als Uhren noch unerschwinglich waren, zeigte das akustische Signal in weitem Umkreis die Zeit an. Aus diesem Grund gerieten die Lanker Bauern im Jahr 1780 mit ihrem Pastor Wilhelm Jacobs in Streit. Fünf Jahre zuvor war die Stephanusglocke geborsten und musste neu gegossen werden. Der Gottesmann wollte auch die kleinere Sebastianusglocke einschmelzen, um ein harmonisches Geläut zum Lobe des Herrn zu erhalten. Die Landwirte lehnten so ein „Kloster Meer Gebimmels” aber ab und wollten lieber eine „rechtschaffen schwäre Klocken”, die sie auch auf den Feldern hören konnten. Viertel- und Stundenschlag sind heute noch jedem Meerbuscher geläufig. Es gebe aber auch Zeitgenossen, die sich durch den Glockenschlag gestört fühlten, bemerkt Weiler.

Der Krefelder Glockensachverständige Klaus-Norbert Kremers weiß, dass die meisten Geläute nicht einfach laut, sondern auf ein Kirchenlied abgestimmt sind. So erklingen in Nierst etwa die Töne, die für das Lied „Wachet auf, uns ruft die Stimme” nötig sind. Die Glocken in Strümp sind auf das weihnachtliche Kirchenlied „Gloria in excelsis deo” abgestimmt.

Dies ist für das „Beiern” wichtig. Dabei werden mit gezielten Schlägen diese Lieder den großen Glocken entlockt. In Büderich ist die andernorts längst verstummte Tradition zu bestimmten Hochfesten noch lebendig. Joachim Laimmer, Willi und Johannes Bodewig sowie Johannes Strauß hauchten der alten Tradition im Jahr 2003 neues Leben ein und beierten – vom alten Brauch abweichend – nach der Christmette „Stille Nacht, heilige Nacht”.

Während früher der Küster bei allen Gelegenheiten selbst läuten musste, gibt es heute elektrische und computergesteuerte Anlagen, erklärt Josef Weiler. Auf Knopfdruck kann der 61-Jährige von verschiedenen Stellen aus die Gussstahlklangkörper zum Tönen bringen.

Dabei werden die einzelnen Signale per Hammerschlag erzeugt. Das feierliche Geläute hingegen braucht immer noch Schwung, sodass der schwere Klöppel von innen die hin- und herschwingenden Glocken erklingen lässt.

In der Silvesternacht klingen
die Glocken noch länger

Wo heute ein Motor für Bewegung sorgt, war früher reine Muskelkraft gefragt. Das 2010 verstorbene Latumer Original Karl Münks erzählte oft, dass die Messdiener am Läuten ihren besonderen Spaß hatten. Sie hängten sich mit ihrem ganzen Körpergewicht an die langen Glockenseile und ließen sich mit der Gegenbewegung bis unter die erste Geschossdecke im Kirchturm in die Höhe ziehen. Das war Anstrengung und Belohnung zugleich.

Noch länger als an Weihnachten erklingen die Kirchenglocken übrigens in der Silvesternacht. Eine volle Viertelstunde lang wird dann das neue Jahr von rund drei Dutzend Glocken im ganzen Meerbuscher Stadtgebiet begrüßt.

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