Berufswahl in Meerbusch Die Botschafterin für ihren Beruf

Osterath. · Als Ausbildungsbotschafterin berichtet die 22-Jährige aus Osterath vor Schulklassen aus ihrem Arbeitsalltag.

 Saskia Haase macht eine Ausbildung zur Fachkraft für Lebensmitteltechnik. Darüber berichtet sie in Schulen.

Saskia Haase macht eine Ausbildung zur Fachkraft für Lebensmitteltechnik. Darüber berichtet sie in Schulen.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Edmund Münster GmbH und Co KG in Neuss. Wenn Saskia Haase den Namen ihres Ausbildungsbetriebs nennt, schaut sie meist in gleichgültige Gesichter. Dann schiebt sie hinterher: „Wir machen Maoam.“ Und sofort hat sie die geballte Aufmerksamkeit ihrer Zuhörer.

Das ist wichtig. Denn die 22-Jährige ist Ausbildungsbotschafterin. Das sind junge Auszubildende, die Schulen besuchen und dort aus erster Hand, echt und ungefiltert von ihrem Job berichten. „Ich hätte mir damals auf jeden Fall so jemanden wie mich gewünscht“, sagt die junge Osteratherin. Ausgebildet wird Saskia Haase bei dem Neusser Unternehmen als Fachkraft für Lebensmitteltechnik, mittlerweile ist sie im dritten Lehrjahr.

 „Saskia macht eine weniger bekannte Ausbildung“, berichtet Dorothee Schartz, die das Projekt „Ausbildungsbotschafter“ bei der IHK Mittlerer Niederrhein koordiniert. Rund 350 Ausbildungsberufe gibt es in Deutschland. Schartz: „Wir haben aktuell mehr als hundert Botschafter aus 60 bis 70 verschiedenen Bereichen, das ist eine tolle Bandbreite.“ Darunter sind viele Industrie- und Bankkaufleute sowie Kfz-Mechatroniker. Aber eben auch Exoten wie Produktveredler und technischer Konfektionär.

Saskia Haase wurde 2019 von ihrem Ausbilder gefragt, ob sie sich vorstellen könnte, Schülern von ihrer Ausbildung zu erzählen. Für die Einsätze bekommen die Azubis nichts, sie werden aber von ihrem Betrieb freigestellt. Außerdem sind viele Ausbildungsbotschafter stolz, ihr Unternehmen nach außen repräsentieren zu dürfen. „Ich hatte sofort Lust und musste auch nicht überredet werden“, erzählt Haase.

Bislang hatte die Osteratherin erst zwei Einsätze, beide vor Beginn der Corona-Krise. Üblich wären zwei bis drei Einsätze in sechs Monaten. „Mir hat es auf jeden Fall viel Spaß gemacht. Die Schüler waren beide Male sehr ruhig und interessiert und haben viele Fragen gestellt“, berichtet sie. So wollten sie etwa wissen, wie die Arbeits- und Unterrichtszeiten sind, wie das Bewerbungsgespräch abgelaufen ist, welche Aufstiegschancen ihr Beruf bietet und was Saskia verdient. „Es ist einfach etwas anderes, ob man einen Gleichaltrigen befragt oder den Chef“, sagt Dorothee Schartz. „Die Hemmschwelle ist viel niedriger.“

Gespräche mit Schülern ungefiltert und auf Augenhöhe

Die Ausbildungsbotschafter redeten mit den Schülern auf Augenhöhe und in derselben Sprache, sie hätten dieselben Interessen und würden dieselben Werte vertreten. „Denn natürlich ist es für junge Leute wichtig, was man verdient und wie viel Freizeit man hat“, sagt Schartz. „Aber im Gespräch mit Erwachsenen heißt es dann schnell: Darüber redet man nicht!“

Dorothee Schartz ist bei jedem Schulbesuch dabei, und sie ist es auch, die die Botschafter auf ihren Einsatz in der Klasse vorbereitet. Diese „Ausbildung“ dauert einen Tag. Zum Abschluss gibt es eine Teilnahmebescheinigung und ein individuelles Präsentationskonzept. Die Azubis lernen während der Schulung rhetorische Kniffe, sie üben, laut und deutlich vor einer Gruppe zu sprechen, sie lernen Kommunikationstechniken, und im Idealfall verlieren sie auch ihre Nervosität. Schartz: „Das alles hilft ihnen dann selbst später, wenn sie beispielsweise in einer Prüfungssituation sind.“

 Die Projektleiterin steuert sämtliche Einsätze und stellt die Botschafter passend zum jeweiligen Schulbesuch zusammen. Schartz: „An einem Gymnasium zeigen wir eher Ausbildungsberufe, für die das Abitur notwendig ist.“ Normalerweise lernen die Schüler in 90 Minuten drei Azubis aus drei verschiedenen Bereichen kennen. Einen aus dem kaufmännischen und einen aus dem gewerbliche-technischen Bereich sowie einen „Exoten“. Schartz: „Hinterher bekomme ich häufig von den Lehrern das Feedback, wie ungewöhnlich ruhig die Klasse war.“

Mehr als 400 Ausbildungsbotschafter wurden seit dem Start des Projekts im Juni 2016 schon ausgebildet. Rund 70 Schulen aus dem Raum Mönchengladbach, Kreis Viersen, Krefeld und dem Rhein-Kreis Neuss beteiligen sich. Die Botschafter besuchen alle Schulformen ab Klasse acht, es gibt auch ein Projekt, das sich speziell an Geflüchtete richtet. Mittlerweile haben die Botschafter mehr als 6200 Schüler informieren können. Auf diese Zahl ist die IHK Mittlerer Niederrhein stolz.

„Leider hat bislang noch keine Schule aus Meerbusch Ausbildungsbotschafter eingeladen“, bedauert Dorothee Schartz. Dabei biete deren Besuch eine einmalige Chance für die Schüler: „Dort haben sie endlich mal die Möglichkeit, Fragen zu stellen, die ihnen sonst keiner so beantworten kann.“ Deshalb hat sie es auch schon häufig erlebt, dass das Treffen mit den Azubis für einige Schüler der Anstoß war, sich in eine völlig andere Richtung zu orientieren. Oder sich zumindest auch mal abseits bekannter Berufswege zu informieren.

Seit Beginn der Corona-Krise wurden allerdings fast alle Einsätze heruntergefahren. „Die Ausbildung neuer Botschafter läuft weiter, wir stellen derzeit auf online um“, erklärt Dorothee Schartz. „Das kann aber immer nur ein Ersatz für das persönliche Gespräch sein.“ Auch in die Klassenräume können die Ausbildungsbotschafter online zugeschaltet werden. „Das haben wir ein paar Mal probiert, und es funktioniert sehr gut.“ Künftig kann sich die Projektleiterin sogar Hybrid-Modelle vorstellen. Schartz: „Das bietet uns noch mehr Flexibilität, weil die Azubis nicht extra zur jeweiligen Schule fahren müssen.“

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