RWE: „Es gibt im Kreis keine Gefahr“

Der BUND befürchtet, dass sich das Unglück in NRW wiederholen könnte. RWE warnt jedoch vor Panikmache.

Rhein-Kreis Neuss. Nach dem Erdrutsch in Sachsen-Anhalt warnt der nordrhein-westfälische Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) vor ähnlichen Risiken durch die Tagebaue im Rheinland. Braunkohleexperte Dirk Jansen: "Wegen der enormen Dimensionen ist Erdrutschgefahr hier sogar wesentlich größer als in Ostdeutschland. Niemand kann heute guten Gewissens solch katastrophale Ereignisse ausschließen."

"Es gibt keinen Grund zur Sorge", betont dagegen RWE-Sprecher Lothar Lambertz. Die Situation in Nachterstedt sei nicht auf den Tagebau in NRW übertragbar. Eine Gefährdung für die Bewohner in unmittelbarer Nähe der Tagebaue gebe es nicht. In Zusammenarbeit mit der Bergbehörde sei die Sicherheitszone von 200 bis 300 Metern eingehalten. Andererseits hat Lambertz "keine Tabelle, wie weit die Menschen von dem jeweiligen Tagebau entfernt wohnen".

Laut den Geologen verhindern massive Sicherheitsvorkehrungen im rheinischen Braunkohlegebiet eine Erdrutschkatastrophe. Zwar gebe es bei der geplanten Flutung der Restlöcher "ein gewisses Risiko", sagt Ludger Krahn vom Geologischen Dienst NRW. Zudem sei die niederrheinische Bucht "das am meisten erdbebengefährdete Gebiet Europas". Um ein Erdrutschrisiko auszuschließen, rechne man bei der Gestaltung der Böschungen aber "gewaltige Sicherheiten" ein.

Laut Krahn hat es in Nachterstedt Stollen eines früheren Untertagebaus gegeben. Das könne zu einer "erheblichen Instabilisierung" führen. "Diese Gefahr haben wir in NRW nicht", sagt Krahn. Dem schließt sich Lambertz an: "In Nachterstedt gibt es andere Fakten."

Nach Beendigung der Großtagebaue Garzweiler, Hambach und Inden verbleiben drei Löcher, die Jahrzehnte lang künstlich geflutet werden sollen (s. Kasten). Bis zu 40 Jahre dauert es, bis sie mit Wasser gefüllt sind. Wenn das Grundwasser wieder ansteigt, kann es nach Aussage des BUND verstärkt zu Instabilitäten kommen. Orte wie Kerpen-Buir und Niederzier (Hambach) oder Jackerath und Kückhoven (Garzweiler) seien wegen ihrer Randlage an den Gruben gefährdet.

RWE-Sprecher Lambertz aber warnt vor ungerechtfertigter Panikmache: "Auf die Böschungen der Restseen kommt es an. Wir bauen sie so auf, dass sowohl während der aktiven Betriebsphase als auch bei einer Restseegestaltung die Standsicherheit gewährleistet ist." Jansen hält dagegen: "Es gibt keinen größeren Eingriff als einen Braunkohletagebau. Durch das Abpumpen des Grundwassers kommt es schon heute zu hunderten Bergschäden am Gebäudebestand."

Letztendlich, so der BUND, könne niemand langfristige Folgen einschätzen. Die Restseen in der Ville seien nicht mit Garzweiler, Hambach und Inden vergleichbar: Mit ihren maximal 15 Meter Tiefe und ihrer geringen Ausdehnung seien sie nicht mehr als "harmlose Tümpel". Dagegen seien die Großtagebaue ein "Experiment mit unkalkulierbarem Ausgang".

Der BUND fordert daher, die Größe der Sicherheitszonen sowie "sämtliche Braunkohlepläne zu prüfen." Braunkohle sei der schädlichste Energieträger. Grundwasserschäden, Zwangsumsiedlungen und Feinstaub seien die Folgen des Abbaus. "Aus meiner Sicht", so Jansen, "können wir uns Braunkohle nicht mehr leisten."

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