Rhein-Kreis Neuss: Wirtschaftskrise bei Landwirten angekommen

Preisverfall: Seit Jahren sinkt die Zahl der Betriebe im Kreis. Die Kreisbauernschaft befürchtet, dass die Krise den Trend verstärkt.

Rhein-Kreis Neuss. Noch Mitte der 90er Jahre gab es im Rhein-Kreis Neuss rund 1000 landwirtschaftliche Betriebe. Im Jahr 2001 waren 742. Aktuell sind es nur noch rund 650 Höfe. Grund: Viele Bauern halten den starken Preisschwankungen auf dem Weltmarkt nicht stand, müssen in schlechten Zeiten ihren Betrieb aufgeben.

"Die aktuelle Situation ist dramatisch. Wenn die Erzeugerpreise weiter sinken, sind noch viel mehr Landwirte in ihrer Existenz gefährdet", sagt Wolfgang Wappenschmidt, Vorsitzender der Kreisbauernschaft. Und nicht nur bei der Milch seien die Preise im Keller, auch der Preis für Getreide und Schweinefleisch sei innerhalb eines Jahres um die Hälfte gefallen, so Wappenschmidt.

Die Weltwirtschaftskrise ist bei den heimischen Landwirten angekommen. "Die Exporte brechen fast komplett ein, weil die Kaufkraft in den Schwellenländern aufgrund der Krise stark gesunken ist", erklärt Wappenschmidt. Das führe gleichzeitig zu einem Überangebot, das die Erzeugerpreise zusätzlich drücke. Noch vor einem Jahr sah die Situation ganz anders.

Schweinefleisch wurde massenhaft nach Russland exportiert. Chinas Rohstoffhunger nach Getreide und Milch schien fast grenzenlos. Und selbst in Ländern wie Brasilien stieg die Nachfrage stetig. Als Folge schnellten die Preise in Höhe. Wappenschmidt: "Dass der Milchpreis Anfang 2008 auf 40 Cent gestiegen ist, hatte mehr mit den Weltmarktpreisen zu tun als mit dem Milchstreik."

Die Kreisbauernschaft fordert daher langfristig einen steuerlichen Risikoausgleich, um für die Marktschwankungen besser gewappnet zu sein. Wappenschmidt: "Kurzfristig muss es aber auch möglich sein, dass Steuern und Abgaben gestundet werden. So könnte die größte Not gelindert werden." Zudem müsse man über zeitlich beschränkte Absatzförderung wie etwa eine Subventionierung von Exporten nachdenken.

"Nicht nur die Autobranche braucht in diesen Zeiten Unterstützung." Angesichts des starken Wettbewerbs in Europa sei es zudem absolut notwendig, dass die Besteuerung auf Agrardiesel aufgehoben werde. "Wir zahlen in Deutschland rund 40 Cent pro Liter. Bei unseren europäischen Nachbarn ist es weit weniger. In Frankreich sind es nur etwa 6Cent."

Pro Hektar Getreide entstehe für die Bauern so ein Verlust von 50 bis 70 Euro. Folge: Mit konventioneller Landwirtschaft können die Betriebe heute kaum noch überleben, weil sie in der Europäischen Union nicht wettbewerbsfähig sind. Auch Landwirt Willi Bertrams (55) aus Korschenbroich hat das erkannt.

"Ich habe mir über die Jahre mehrere Standbeine aufgebaut." Zusammen mit seinem Sohn bewirtschaftet er zum Beispiel noch zusätzlich ein Blumenfeld für Selbstpflücker. "Nur mit Milchvieh und Ackerbau könnte der Betrieb auf Dauer nicht überleben", sagt Bertrams.

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