Milchbauern können nur kurz aufatmen

Derzeit ist der Literpreis zwar gestiegen, doch großen Gewinn können die Landwirte damit nicht erzielen. Einige verkaufen ihre Tiere.

Milchbauern können nur kurz aufatmen
Foto: dpa

Thomas Norf steht jeden Morgen um 5.30 Uhr im Stall bei seinen Kühen. Die 100-Stunden-Woche ist auf seinem Hof Alltag. „Wenn es sich wenigstens lohnen würde“, sagt der Landwirt aus Lank-Latum. „Momentan bekomme ich immerhin fünf Cent pro Liter, vergangenes Jahr habe ich das noch draufgezahlt.“ Der Meerbuscher hatte vor drei Jahren einen neuen Stall finanziert, mit der Milchkrise musste er einen weiteren Kredit aufnehmen, um zu überleben. Nun, sagt er, könne er kurz aufatmen. Aber das Loch des vergangenen Jahres sei zu groß.

250 Milchkühe und 200 Jungtiere hat er auf seinem Hof, den er zusammen mit seiner Frau bewirtschaftet. „In Zukunft wird mein Hof zu klein sein, die Familienbetriebe werden verschwinden.“ Grund dafür sei die Konkurrenz mit bis zu 1000 Tieren und die Auflagen, die der Landwirt mit seinem kleinen Familienbetrieb nur schwer erfüllen kann.

Viel Aufmerksamkeit konzentriert sich gegenwärtig auf die Haltung von Nutztieren. „Tierwohl“ und „Nachhaltigkeit lauten die Stichworte. „Viele Vorschläge sind unrealistisch“, sagt Wilhelm Brüggemeier, der westfälische Vorsitzende der Landesvereinigung Milch, und wehrt sich damit gegen inflationär zirkulierende Auflagen für Milchviehhalter, wie beispielsweise ein Tierschutzlabel. Nachhaltigkeit, so ergänzt Hans Stöcker, der Vorsitzende der Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW, sei in der Milchwirtschaft längst etabliert. Angefangen beim Stall bis hin zur Molkerei: „Solche Maßnahmen gehen mit einem höheren Erzeugeraufwand einher und müssen auch entlohnt werden.“ So habe auch Thomas Norf in seinem neuen Stall alles fürs Tierwohl getan und die Auflagen erfüllt. „Jetzt bräuchte ich aber einen Angestellten im Büro, dafür ist unser Betrieb allerdings zu klein. Wenn ich könnte, würde ich alles verkaufen.“

Genau das tun Heinrich und Steffi Leuchten aus Ilverich gerade. Von 70 Milchkühen sind nur vier übriggeblieben, die sie ebenfalls an Branchenkollegen verkaufen wollen. „Die letzten Jahre waren miserabel“, sagt Steffi Leuchten. „Wir können nicht weiter Verluste machen.“ Damit zieht die Familie die Notbremse. Jetzt sei Zeit zum Luftholen, aber noch lange nicht, um wirklich aufzuatmen, so äußerte sich Hans Stöcker auf der diesjährigen Jahrespressekonferenz der Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW. Mengenregulierungen und eine anziehende Nachfrage auf dem internationalen Markt haben dafür gesorgt, dass der Grundpreis für konventionell erzeugte Kuhmilch mit vier Prozent Fett und 3,4 Prozent Eiweiß die Talfahrt umgekehrt hat. Im August kamen beim Milchviehhalter magere 23 Cent pro Liter an, und aktuell pendeln die Auszahlungspreise zwischen 33 und 35 Cent. Jetzt haben die Milchviehhalter ihre Chance, aus den roten Zahlen herauszukommen. „Aber ihre Liquidität ist immer noch im Keller und der Investitionsbedarf hoch“, sagt Wilhelm Brüggemeier. Er beklagt, dass der Lebensmitteleinzelhandel zunehmend mit Eigenmarken punktet. Vom Profit komme nichts beim Milchbauern an. Der erhöhte Milch-Auszahlungspreis führt derzeit schon wieder zu einem Anstieg der Produktion in den einzelnen Betrieben. Und damit droht erneut ein Überangebot.

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