Meerbuscher joggt auf Christo-Kunstwerk

Philip Mes mag spektakuläre Laufaktionen. Unter anderem erklomm er schon die Streif. Diesmal verschlug es ihn nach Italien an den Iseosee.

Meerbuscher joggt auf Christo-Kunstwerk
Foto: Mes

Eine gewisse Neigung, sich selbst in Szene zu setzen, kann man dem Meerbuscher Philip Mes durchaus attestieren. „Der übers Wasser lief“ überschrieb er seine gestrige Pressemitteilung zu seiner nächsten tollkühnen Tat. Bevor es zur Verwirrung kommt: Das mit dem Laufen auf dem Wasser soll ein gewisser Jesus von Nazareth beherrscht haben. Philipp Mes musste sich dafür eines Kunstwerks bedienen. Er ist auf den „Floating Piers“ des Künstlers Christo auf dem Iseosee in Norditalien gelaufen.

Für spektakuläre Laufaktionen ist Philip Mes bekannt. Zuletzt ist er in Kitzbühel die legendäre Skipiste Streif hochgelaufen. Mes war in der Bundeswehrzeit bei den Gebirgsjägern in Berchtesgaden und lernte dort, diszipliniert, strukturiert und professionell zu trainieren. Er wurde Grafikdesigner, später Master im Industriedesign. Heute arbeitet er als Lauftrainer und hat in Büderich ein Fitnessstudio am Brühler Weg 38. Wenn er jetzt spektakulär und öffentlichkeitswirksam läuft wie auf den Floating Piers, dann ist Mes also immer auch in eigener Sache unterwegs.

Er habe sofort Feuer gefangen, als er von Christos Kunstaktion „The Floating Piers“ erfuhr, sagt Philip Mes. „Die einmalige Chance, auf einem Kunstwerk zu laufen, das wollte ich mir nicht entgehen lassen.“ Im Jahr 1995 hatte er den verhüllten Reichstag in Berlin live miterlebt. Von seiner Patentante hatte er ein Christo-Bild geschenkt bekommen. „Seitdem bin ich von Christos Arbeiten und Ideen fasziniert. Das ich 21 Jahre später einmal darüber laufe ist einfach großartig und verzaubernd.“ 14 Tage lang waren die künstlichen Stege, die die Stadt Sulzano mit der Monte Isola und der Insel San Paolo am Iseo See verbanden, für Besucher kostenfrei geöffnet. Der Künstler hatte dabei drei Kilometer lange Stege aus 200 000 Pontons, mit 70 000 Quadratmetern leuchtend orangenem Stoff gebaut. 1,5 Millionen Menschen sollen sie begangen haben. 15 Millionen Euro kostete die Aktion.

Mes wäre nicht Mes, wenn er nicht schon die Anreise spektakulär geplant hätte. Um 23.30 Uhr abends wollte er von Köln nach Bergamo fliegen, um dann mit Stirnlampe und Laufrucksack bis nach Sulzano zu den Floating Piers zu joggen. 42 Kilometer durch die Nacht, um rechtzeitig zur Öffnung der Floating Piers am Iseo See zu sein. An Bord des Fliegers verwarf er diesen Plan jedoch, weil er dort eine befreundete Triathletin traf und von der Nacht-Lauf-Idee erzählte. Die Freundin schlug als Alternative vor, sich ein Taxi nach Sulzano zu teilen. Mes zeigte sich einsichtig. „Die gewonnen vier Stunden verbrachte ich damit, mich mit den Ordnern anzufreunden“, sagt Mes. Denn eigentlich sei das schnelle Laufen auf den Piers verboten gewesen. 40 Minuten habe er sich zum Schlafen auf den orangenen Stoff direkt ans Wasser gelegt und die Sommernacht genossen.

Um 5 Uhr am Morgen wurden die ersten 60 bis 70 wartenden Besucher an die Piers geführt. Stockdunkel sei es da noch gewesen, nur die Beleuchtung auf den Stegen habe den Verlauf des Kunstwerks erahnen lassen“, sagt Philip Mes. „Mit den ersten Schritten spürte ich die sanften Wellen unter den Füßen. Steg und Stoff bewegten sich rhythmisch wie eine Raupe im Morgengrauen. Ich musste mich erst an den schwankenden Untergrund gewöhnen.“ Die Pontons seien oben weich wie ein Trampolin, an den Rändern hart und kantig gewesen. Sie hätten fast keine regelmäßigen Schritte erlaubt. „Der glatte Stoff rutschte auf dem Plastikuntergrund hin und her und warf dann auch noch so viele Falten, dass man ständig mit den Fußspitzen daran hängenblieb.“

Die erste Runde lief Philip Mes in der Dämmerung, als die orangenen Piers noch ruhig auf dem Wasser lagen und kaum Besucher darauf unterwegs waren. Christo selbst beschreibt das Laufen auf den schwimmenden Stegen als „Balancieren auf einem Wal“ — und genau so habe es sich manchmal auch angefühlt, sagt Mes. Spektakulär sei für ihn auch gewesen, wie die Sonne immer wieder die Farbe der Piers verändert habe. „Die Falten und nassen Stellen ließen ihn lebendig wirken.“ Zwei Stunden später sei dann die morgendliche Ruhe schon einer betriebsamen Hektik gewichen. „Gegen Mittag ging es bei 36 Grad nur noch im Gänseschritt voran.“ Den Rest des Tages habe er genutzt, um Bilder zu machen, neue Leute kennenzulernen und im See baden zu gehen.

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