Historisches in Meerbusch Spektakuläre Flucht aus dem Kerker

Büderich · Man weiß nicht von vielen Meerbuschern, die im Linner Bergfried eingekerkert waren. Aber Gördt Catterberg gelang sogar die Flucht.

 Auf Burg Linn residierte der Kölner Amtsmann, das Freie Schwurgericht befand hier über die Missetäter aus dem Amtsbereich.

Auf Burg Linn residierte der Kölner Amtsmann, das Freie Schwurgericht befand hier über die Missetäter aus dem Amtsbereich.

Foto: Anne Orthen (orth)/Anne Orthen (ort)

Man schrieb das Jahr 1699, als Gördt Catternberg vom Brühl in Büderich für lange Zeit das letzte Mal die warme Sommersonne sah. Irgendwann um die Jahresmitte muss er jedenfalls per Seil durch das so genannte „Angstloch“ in den wenig gastlichen Kerker tief im Bergfried der Linner Burg hinabgelassen worden sein.

Das Untergeschoss des massiven Bergfrieds war schon als Gefängnis erbaut worden und vom Boden blickte man fast acht Meter in die dunkle Höhe, bevor man den schmalen Lichtfleck des Angstloches ausmachen konnte. Die glatten Wände und die Gewölbedecke wären heute selbst für einen geübten Kletterer und Alpinisten unüberwindbar. Dennoch gelang Gördt Catterberg nach etwa sechs Wochen die spektakuläre Flucht. Der Gerichtsschreiber des „Freyen Schwerdtgerichtß Statt und Ambts Lynn“ berichtete in der Sitzung vom 1. September 1699, dass Catterberg „auf mir fast unglaubliche Weyß auß dem tieffen Turm entwichen“ ist.

 Die Gaststätte Neuhausen, später Peter, prägt den Ortsteil Brühl seit Jahrhunderten.

Die Gaststätte Neuhausen, später Peter, prägt den Ortsteil Brühl seit Jahrhunderten.

Foto: Stadtarchiv/Repro Kunze

Wie die Flucht möglich war,
ist unbekannt

Leider erfahren wir nicht, wie ihm dies gelungen ist, es kann aber praktisch nur durch eine List so weit gekommen sein. Vielleicht hat Catterberg sich totgestellt oder ähnliches. Jedenfalls war der Straftäter nun wohl schon seit einiger Zeit flüchtig, denn an jenem Dienstag schritt man „zu Behueff der Atzung- und Gerichtskosten plus offerenti nach vorgangenem gewöhnlichem Proclama“ zum Verkauf von dessen beweglichem Besitz. Durch den Prozess waren natürlich Kosten etwa durch die öffentliche Verkündung der Versteigerung und ähnliches entstanden und auch die Verpflegung (Atzung) von Schultheiß, Schöffen und Gerichtsschreiber wollte bezahlt werden.

Und es war die stattliche Summe von 28 Reichstalern 44 ½ Stübern, die bei der öffentlichen Versteigerung herumkam. Das war mehr Bargeld, als die meisten Menschen damals im Jahr zur Verfügung hatten – zuzüglich zur Nahrung, die man ja selbst anbaute, und Wohnung, die praktisch jeder besaß. Dafür wechselten 33 Positionen von der Kuh über diverse Kleidungsstücke, eine Waage und Bierfässer bis hin zu einem Paar alter Karrenräder den Besitzer.

Damit war die Geschichte allerdings noch nicht zu Ende. Am 5. November erschien Catterbergs Tochter vor Gericht und verhandelte wohl im Namen ihres Vaters. Das Angebot des Gerichtes erschien allerdings wenig verlockend: Wenn Gördt Catterberg sich wieder „ad carcerum“, also im Kerker einfinden sollte, würde das Gericht nach Recht und Gesetz prüfen, ob ihm die Haft erleichtert oder gar erlassen werden könnte.

Am 10. Dezember 1699 reichte Catterbergs Frau Cornelia von Wolffen erneut eine entsprechende Bitte ein. Diesmal versprach das Gericht, der Bitte zu folgen, wenn der Flüchtige sich binnen 48 Stunden stellen würde. Das war diesmal durchaus realistisch, denn es war weder unüblich noch schwer, ins Ausland zu fliehen und von dort aus mit dem Gericht zu verhandeln und zurückzukehren, wenn ein gangbarer Kompromiss gefunden war.

Das Kurfüstentum Köln war schließlich nur ein langgestreckter aber schmaler Streifen Land entlang des Rheins. Schon Düsseldorf war eine ausländische Haupt- und Residenzstadt, Krefeld eine preußische Enklave und auch nach Westen übertrat man schon nach wenigen Dutzend Kilometern die Landesgrenze.

Ganz so schnell stellte sich Catterberg aber dann doch nicht, so dass die Richter am 17. Dezember drohten, auch die übrigen Besitzungen zu konfiszieren und zu Geld zu machen, wenn der Gesuchte nicht innerhalb von 24 Stunden auftauche. Allerdings wurde die Drohung am 27. Januar 1700 wiederholt, wobei man „dessen barlicher Ungehorsamb gehörenden Ohrts“, als vermutlich beim Hohen Weltlichen Gericht zu Bonn vorbringen wollte. Nun endlich scheint es zu einer Einigung gekommen zu sein, die auch das Gericht befriedigte. Vermutlich musste Catterberg eine hübsche Summe Geld entrichten, denn er taucht kurze Zeit später erneut vor Gericht auf, weil er von ihm erworbenes Land nicht fristgerecht bezahlen konnte. Aber auch hier scheint er zu einer Lösung gelangt zu sein, weil ein Urteil nicht überliefert ist und es im Laufe des Jahres 1700 ruhig wurde um den Mann, dem die spektakuläre Flucht aus dem Linner Kerker gelungen ist. Auf dem Brühl wird er aber sicher noch lange für Gesprächsstoff gesorgt haben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort