Meerbusch: Selbsthilfegruppe - Den Alltag ohne Alkohol erobern

Der Kampf gegen den Verführer Alkohol dauert lebenslang: Wolf-Christian Daub organisiert in Lank eine Selbsthilfegruppe.

Meerbusch. Es gibt die Anonymen Alkoholiker, das Blaue Kreuz und andere Selbsthilfegruppen. Wolf-Christian Daub ist Mitglied im Kreuzbund in Düsseldorf. Seit acht Jahren ist der Neu-Lanker trocken.

Das wöchentliche Treffen mit anderen Alkoholkranken hilft ihm, es zu bleiben. In den Räumen der Evangelischen Kirchgemeinde in Lank will der 37-Jährige jetzt eine neue Gruppe aufbauen.

Daubs Weg vom Alkohol weg war hart, lang und holprig, "aber meine Eltern waren immer da. Mein Glück!" Warum er mit etwa zwölf, 13Jahren in seiner süddeutschen Heimat zum Bier griff und nicht mehr davon ließ: "Es gab in dem Städtchen nur zwei Kneipen und eine Riesenclique. Von Anfang an habe ich Alkohol und das Gefühl dabei toll gefunden." Damals war alles Spaß und Party. "Mir war nie schlecht."

Das, so sagt Daub, sei lange einigermaßen gut gegangen. Er macht sein Abi, er verlässt Stuttgart Richtung Bodensee, kehrt später zurück zu den Eltern. Die erste Entgiftung macht er mit 26 Jahren. "Danach ist man versaut fürs Saufen. Man hat immer ein schlechtes Gewissen." Trotzdem fängt er wieder an.

Wolf-Christian Daub bekommt einen Studienplatz in Düsseldorf. Sozialpädagogik. Eine Chance auf einen Neuanfang, der keiner wird. "Der Alkohol stand an erster Stelle". Es ist Ende 1999, als er nach einem zweiwöchigen Alkoholabsturz in einer Panikattacke die Reißleine zieht: Jetzt muss etwas passieren.

"Ich stand vom Schreibtisch auf, ging aus dem Haus und direkt in die nächste Arztpraxis." Dort praktiziert ein Orthopäde, aber Daub ist trotzdem gut aufgehoben: Es wird telefoniert, ihm ein Medikament zur Beruhigung gegeben, Pillen für zu Hause.

Zwei Wochen Entzug in den eigenen vier Wänden folgen - und der lange Weg ohne Alkohol seitdem. Sechs Monate später ist er zum ersten Mal beim Kreuzbund.

"Das Leben ohne Alkohol ist schwer", sagt Daub. Die Euphorie nach der Entgiftung lasse relativ schnell nach. Der Austausch helfe. "Es ist keine Therapie! Aber die Gruppe besteht aus Gleichgesinnten, die die ganzen Geschichten immer noch hören können."

Gründe, warum man zu trinken begonnen habe, wolle am Anfang niemand ergründen. "Da geht es nur ums Überleben: Wie bekomme ich meinen Alltag nüchtern hin?" Noch aus einem anderen Grund sei die wöchentliche Routine wichtig: "Es ist eine Erinnerung. Man wird relativ schnell leichtsinnig, wenn es einem wieder gut geht."

Entgiftung, Therapie, Selbsthilfe - Der Sozialpädagoge, der seine Diplomarbeit über das Thema "Sucht am Arbeitsplatz" schrieb, will nicht Therapeut, sondern Teilnehmer der Selbsthilfegruppe in Lank sein. Deren Ansatz: "Was verbessert sich, wenn ich aufhöre!"

Für ihn hat sich vieles verbessert: "Ich bin jeden Tag gleich fit, habe keinen Kater, bin ausgeglichen und kenne mich sehr gut. Aber natürlich ist das nüchterne Leben nicht nur Spaß."

Erst nach zwei trockenen Jahren habe er seinen Zustand als positiv empfunden, das Gefühl gehabt, mehr machen zu können. "Man muss jede Jahreszeit einmal ohne Alkohol durchgemacht haben. Und dann braucht man ungefähr noch mal ein Jahr, bis die Haut dicker wird." Und: An Stelle des Alkohols muss etwas anderes treten.

Partys und Kneipen meidet Wolf-Christian Daub mittlerweile ("Das ist anstrengend"), und zu einem Konzert fährt er grundsätzlich im eigenen Auto: "Dann kann ich jederzeit verschwinden."

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