Meerbusch historisch Daumen gequetscht – war es Absicht?

Langst-Kierst · Im Jahr 1773 musste sich der Langster Wilhelm van Haag vor dem Linner Gericht verantworten. Er hatte einen anderen Mann verprügelt, weil der ihm an einer Falltür die Hand eingeklemmt hatte.

 Den van-Haags-Hof in Lank erwarben erst der Enkel beziehungsweise Sohn von Derich und Wilhelm van Haag durch Einheirat. 1811 heiratete Theodor von Haag die Erbtochter Maria Adelheid Weyers.

Den van-Haags-Hof in Lank erwarben erst der Enkel beziehungsweise Sohn von Derich und Wilhelm van Haag durch Einheirat. 1811 heiratete Theodor von Haag die Erbtochter Maria Adelheid Weyers.

Foto: RP/Mike Kunze

Die Familie van Haag lebte im 18. Jahrhundert in Langst, bevor eine spätere Generation den sogenannten van Haags Hof im Lanker Ortskern erheiratete. In Langst betrieben Derich van Haag und sein Sohn Wilhelm neben der Landwirtschaft auch eine Gaststätte, in der sich das Possenspiel um den geklemmten Daumen 1773 ereignete.

Der Sachverhalt selbst ist eigentlich ganz einfach. Im Gasthaus ließ das Stift Kaiserswerth Anfang Juli 1773 den ihm zustehenden Zehnten versteigern. Dies geschah zu dieser Zeit so, dass die Bauern die auf ihrem Land oder gar auf allen Ländereien ihrer Gemeinde lastenden Abgaben durch ein Höchstgebot für das jeweils laufende Jahr ersteigern konnten. Damit war natürlich nicht das Zehntrecht an sich gemeint, sondern nur der zu erwartende Ertrag, den die Landwirte anhand der ihnen bekannten Feldfrucht abschätzen konnten. Der zuletzt Bietende musste zusehen, dass er den Zehnt so eintreiben und in Kaiserswerth abliefern konnte, dass für ihn noch ein Gewinn übrig blieb, während das Stift das Risiko auf den Zehntpächter abgewälzt hatte und mit einer zwar etwas geringeren, aber sicheren Einnahme rechnen konnte, ohne weiteren Aufwand zu haben.

Natürlich wurde jede Versteigerung mit einem Trunk bekräftigt, und auch währenddessen wurden durstige Männerkehlen mit frischem Bier gut geölt. Aus dem Keller, in dem auch das Bier gelagert war, führte eine Treppe in den Hof oder das Lokal, die durch eine schwere Falltüre verschlossen werden konnte. Diesen Weg nach oben nahm nun der klagende Johann Jungbluth, welcher die Klappe mit dem Fuß und der Bemerkung „Da kommet doch nichts heraus!“ schwungvoll zugestoßen hatte. Tatsächlich kam aber hinter ihm noch Wilhelm van Haag, der Glück hatte, dass ihm die schwere Türe nicht den Kopf zerschmetterte, was der Vater „ohnvermeidentlich“ befürchtet hatte. Dafür wurde ihm aber der Daumen gequetscht, was wohl sehr schmerzhaft warn.

Urteil fiel nach den Zeugenaussagen eindeutig aus

Von diesem Schmerzgefühl durchdrungen, ließ Wilhelm van Haag seinem Empfinden freien Lauf, stürmte unter der Tür hervor, ergriff Johann Jungbluth an den Haaren, schlug ihn blutig und schleifte ihn vor die Türe, wo er das Häuflein Elend absetzte. Das war sicher nicht die feine englische Art, schien den übrigen Anwesenden damals aber soweit nachvollziehbar, dass sich niemand beschwerte. Jungbluth hingegen hatte nichts besseres zu tun, als über den Juristen Gossens Klage beim Linner Gericht einzureichen. Bei der Vernehmung am 15. Juli vertrat Derich van Haag seinen Sohn Wilhelm und unterstellte Johann Jungbluth, die Falltür absichtlich vor seinem Sohn zugeschlagen zu haben. Sein Sohn dagegen habe Jungbluth nach der Auseinandersetzung gebeten, von einer Klage abzusehen.

Um das genauer zu klären, verlangte Gossens, den vermeintlichen Schläger selbst vorzuladen, dem jedenfalls keine Selbstjustiz zugestanden hätte. In der Zwischenzeit waren auch Jacob Schrörs und Johann Hülser aus Latum vernommen worden, die beide mitbekommen hatten, dass Wilhelm van Haag mehrere Finger geklemmt worden waren, die laut Schrörs auch geblutet hatten. Was passiert sei, nachdem die beiden van Haags Johann Jungbluth einige Ohrfeigen verpasst und ihn hinausgeworfen hatten, wüssten sie allerdings nicht. Blut sei im Haus aber nicht weiter geflossen. Auch habe Hülser wegen der vielen Menschen im Haus nicht alles sehen können.

Da zu diesem Termin Vater und Sohn van Haag als unpässlich nicht beteiligt waren, fiel das Urteil nach den Zeugenaussagen eindeutig aus. Für die Ohrfeigen hatte Wilhelm van Haag die Gerichtskosten in Höhe von sechs Reichstalern und 36 Stübern – eine recht stolze Summe, die leicht einen Monat zum Leben reichte – zu tragen. Außerdem wurde er mit einer Brüchtenstrafe, also einem Bußgeld, belegt.

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