Lank: Ergotherapie hilft Kindern bei Lern- und Wahrnehmungsstörungen

Ergotherapie kann bei Kindern mit geringem Aufwand zu großen Erfolgen führen.

Lank. Tabitha war nicht gut in der Schule. Sie litt unter Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen, offensichtlich ausgelöst durch motorische Probleme.

"Sie hat ihre eigene Mittellinie verweigert", versucht Erwin Elsbernd zu umschreiben, was er als bilaterale Integrationsstörung bezeichnet.

"Sie konnte die Hand vor dem Körper nur bis zu ihrer eigenen Mitte bewegen. Alles, was darüber hinaus ging, hatte unweigerlich zur Folge, dass der Kopf mitschwang. Das hat Tabitha beschäftigt, sie konnte es nicht verstehen", erläutert der Ergotherapeut ein Symptom.

Das ist vorbei. "Jetzt hat Tabitha nur noch Zweien in der Schule", strahlt der Vater, und seine achtjährige Tochter nickt begeistert. Seit einem Jahr kommt das Mädchen zu Erwin Elsbernd in die Reha Rheinland. Die Übungen zur Förderungen der Koordination und Konzentration machen ihr sichtlich Spaß. Sie springt, hüpft, schaukelt.

Doch Elsbernd versucht in den 45-minütigen Sitzungen, die Bewegungstherapie immer auch mit Konzentrationsübungen zu verknüpfen, die alle Sinne ansprechen. Aus der Hängematte heraus soll Tabitha ganz bestimmte, auf dem Boden verteilte Karten aufheben und dem Erwachsenen anreichen.

Das macht sie gut: "Die Beine schwingen mit, sie hat keine Nackenschmerzen, und ihr ist trotz der Anstrengung auch nicht schwindelig", sagt der 48-Jährige und sieht seine Arbeit bestätigt.

Am Ende der Sequenz sitzen sich Therapeut und seine junge Patientin im Schneidersitz gegenüber, die Karten liegen verdeckt vor ihnen. Elsbernd fragt nach Motiven, farbigen Rändern, Details.

Er lenkt vom Thema ab, kommt urplötzlich wieder auf den Punkt zurück, hakt nach. Hat sich Tabitha trotzdem alles gemerkt? Größtenteils ja, nur diese fiese Ablenkung hat sie etwas aus dem Konzept gebracht.

"Tabitha ist mittlerweile bei gut 70 Prozent, es fehlen nur noch ein paar Kleinigkeiten", sagt Elsbernd, der ihr aber die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie attestiert: "Sie ist hundertprozentig motiviert."

Ergotherapie bedeute letztlich nur, mit einem ausgeklügelten Training die Wiedereingliederung in ein normales Leben zu erreichen, erklärt Elsbernd.

Patienten aus Bereichen wie der Neurologie, der Orthopädie, der Psychiatrie oder der Rheumatologie könne man bei der Reha Rheinland am St. Elisabeth-Hospital ebenso helfen wie Kindern, die eine Lern- oder Wahrnehmungsschwäche oder motorische Defizite aufweisen würden.

Diese seien ohnehin oft genug hausgemacht: "Spiele wie Seilchenspringen, Gummitwist, Schnitzeljagd oder gar im Matsch toben sind zunehmend verpönt, Entwicklungsstörungen bei einer derartigen Bewegungsarmut fast zwangsläufig die Folge", wettert der Ergotherapeut, der neben viel Aktivität auch das Kontrastprogramm praktiziert:

Tabitha legt sich auf die breite Schaukel, Elsbernd deckt sie zu, der Raum wird abgedunkelt, dazu leise Musik - keine zwei Minuten vergehen und die Achtjährige ist eingeschlummert.

"Man muss das Kind ernst nehmen, kurze, klare Anweisungen geben, den Eltern vor allem aber auch klar machen, dass sie ihrem Sprössling nicht alles abnehmen dürfen", flüstert der gebürtige Münsterländer.

Erwin Elsbernd ist nach eigener Aussage oft genug nur Vermittler: "Eine Mutter kam mit ihrem siebenjährigen, angeblich hyperaktiven Sohn zu mir. Es stellte sich später heraus, dass er an Epilepsie leidet. Ein anderer hatte nach Aussagen der Eltern starke Wahrnehmungsstörungen - der brauchte aber nur eine Brille."

Ärgern kann sich der Therapeut nicht zuletzt über Eltern, die ihre Kinder in der Reha mit den Worten abliefern: "Dann machen sie mal."

Derartiges sei manchmal schon frustrierend, "für das Kind natürlich noch mehr als für mich." Doch große menschliche Erfolge würden auch über solche Momente hinweghelfen: "Ich hatte mal einen halbseitig gelähmten, sprachlosen Jungen hier. Der geht heute zur Höheren Handelsschule."

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