Einsatz in Strümp: Quälende Minuten bis zur Rettung

Ein Busunfall mit Verletzten – dieses Szenario mussten die Helfer bewältigen.

Strümp. Das Szenario ist realistisch: Der Linienbus ist in der Kurve zu Schloss Pesch frontal mit einem entgegenkommenden Pkw zusammengestoßen, auf den ein Transporter auffährt.

Zwei Schwerstverletzte, zwei Schwer- und fünf Leichtverletzte identifizieren die Johanniter, als sie wenige Minuten nach der Unfallmeldung eintreffen: Ein schneller Blick der Assistenten auf die Verletzten, die mit blutenden Wunden verwirrt umherlaufen, und schon hat jeder ein farbiges Bändchen am Arm. Rot signalisiert Lebensgefahr.

Und so kommt es, dass zwar der Busfahrer (Arterie durchtrennt), der unter seinem Bus in Seitenlage eingeklemmt ist, und auch die Pkw-Fahrerin (Becken- und Oberschenkelfraktur, Schädel-Hirn-Trauma) sofort und intensiv versorgt werden, nicht aber die Fahrerin des Pickups. Sie ist zwar querschnittsgelähmt, hat aber trotzdem ein gelbes Bändchen am Arm: keine akute Lebensgefahr.

Erstmals im Rhein-Kreis Neuss setzt die Feuerwehr bei dieser Übung eines Großeinsatzes dieses aus Amerika importierte Farben-System ein, das den Notärzten die Patientenwahl erleichtern und Leben retten soll. Am Sonntag in Strümp funktioniert das offenbar gut.

Eindrucksvoll arbeiten die 80 Helfer Hand in Hand: Die Löschzüge Lank, Osterath und Strümp sowie die Löschgruppe aus Ossum-Bösinghoven streuen Benzin und Öl ab, und stehen bereit, um auf Brände oder weitere Notfälle reagieren zu können.

Die Feuerwehrleute sind es, die die Fahrzeuge öffnen, damit die Johanniter die Verletzten versorgen können. Beides ist Schwerstarbeit: Vergeblich setzen Patrick Raukes und Michael Beesen die Brechstange an. Die Fahrzeugtür ist so verzogen, dass sie sich auch mit vereinter Kraft nicht aufhebeln lässt.

Schließlich kriecht der Rettungsassistent durchs Fenster zur Fahrerin, um Erste Hilfe zu leisten, bis ihr Fahrzeug ebenso wie der Transporter mit hydraulischer Schere und Spreizer sowie enormer Muskelkraft und Seilen endlich doch geöffnet werden können. Auch hier sitzt bereits ein Retter mit Tropf hinter der Fahrerin, bedeckt die schwerverletzte mit einem Fließ, um sie vor Scherben zu schützen, vom Quietschen, Knirschen und lauten Knacken abzuschirmen, das unvermeidbar bei dem Autoaufbruch entsteht.

Derweil bemüht sich eine dritte Einheit um den eingeklemmten Busfahrer. Nur mühsam lässt sich die große Frontscheibe entfernen. Holzbohle für Holzbohle wird der Bus stabilisiert. "Das wirkt altmodisch, Holz ist aber das sicherste Material", erläutert Feuerwehrsprecherin Julia Juchems. "Schließlich soll sich das Fahrzeug keinen Millimeter bewegen, wenn die Helfer den Patienten bergen." Mit unscheinbaren kleinen Luftkissen, von denen jedes jedoch eine Tragkraft von 18 Tonnen hat, wird der Bus vorsichtig angehoben.

"Das ist alles ganz real", kommentiert Julia Juchems die Schwierigkeiten des Einsatzes. Real ist auch, dass die so massiv Verletzten erst eine knappe Stunde nach dem Unfall aus ihren Fahrzeugen befreit sind.

Kurz vor Ende des Einsatzes streifen Feuerwehrleute wie am Faden aufgezogen durch das angrenzende Waldstück: Ein verwaister Kindersitz weckt die Angst, dass möglicherweise ein kleiner Fahrgast aus dem Auto geschleudert wurde. "Außerdem könnten auch verwirrte Businsassen weggelaufen sein", nennt Juchems einen zweiten Grund, die Umgebung sorgfältig zu erkunden.

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