Verein „Meerbusch hilft“ „Ich sehe keine Entspannung der Lage“

Meerbusch. · Der Vorsitzende von „Meerbusch hilft“ rechnet damit, dass nach der Pandemie noch mehr Bedürftige die Hilfe des Vereins benötigen.

 Dirk Thorand und seine Stellvertreterin Antje Schwarzburger im Lager der Tafel.

Dirk Thorand und seine Stellvertreterin Antje Schwarzburger im Lager der Tafel.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Dirk Thorand freut sich. Am 17. Januar liefen mehr als 600 Sportler beim ersten „Virtual Run“ mit, den Meerbuscher Sportvereine organisiert hatten. Die Startgelder, insgesamt 7775 Euro, gehen an den Verein „Meerbusch hilft“, dessen Vorsitzender Thorand ist. Im Gespräch geht es um Not, aber auch um Hilfsbereitschaft.

Seit rund fünf Jahren setzen Sie sich mit „Meerbusch hilft“ für bedürftige Menschen in der Stadt ein. Wie hat sich die Situation durch die Corona-Pandemie verändert?

Dirk Thorand: Meerbusch ist ja in der Außenwahrnehmung eine sehr wohlhabende Stadt. Wir selbst haben erst im Laufe unserer Arbeit gemerkt – angefangen hat alles 2015 im Bereich der Flüchtlingshilfe – dass es auch hier Menschen gibt, denen es nicht gut geht. Und im vergangen Jahr ist die Nachfrage nach unserem Hilfsangebot corona-bedingt gestiegen. Wir haben zum Beispiel bei unseren Tafeln neue Kunden bekommen, die in Kurzarbeit geschickt wurden und nun mit ihrem Geld nicht mehr auskommen. Es entstehen neue Nöte – aber auch eine neue Hilfsbereitschaft.

Wie haben Sie diese Hilfsbereitschaft erlebt?

Thorand: Meerbusch ist in der Pandemie – zumindest im übertragenen Sinn – zusammengerückt. Wir haben in dieser Zeit aktiv um Spenden geworben und sie auch bekommen. Ob es nun finanzielle Hilfen waren, Lebensmittel, Masken...

Und wie ist in dieser Situation der reduzierten Kontakte die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren?

Thorand: Man muss klar sagen, die meisten Ehrenamtler sind Rentner. Und diese Menschen, die oft zur Risikogruppe gehören, haben schon zum Teil gesagt, dass ihnen die Arbeit, gerade wo Kontakt mit anderen Menschen besteht, zu riskant ist. Dafür haben wir natürlich Verständnis. Klagen über zu wenig Einsatzbereitschaft der Meerbuscher können wir aber nicht. Wir haben viele Leute neu gewinnen können, die gerade wegen der Pandemie mehr Zeit haben, zum Beispiel Schüler. Gerade im Sommer, als die Infektionslage nicht so dramatisch war, haben wir die Lebensmittelausgaben teilweise im Schichtbetrieb organisiert, um mehr freiwillige Helfer einbinden und aktiv halten zu können.

Stichwort Lebensmittelausgabe: Die haben Sie in der Pandemie sogar ausgebaut.

Thorand: Richtig, die Pläne dazu lagen aber schon vor. Neben den Tafeln in Büderich und Osterath gibt es jetzt auch eine in Lank, freitagsabends, also besonders günstig für Berufstätige, die trotzdem aufstocken müssen, und auch für Schüler als Helfer, die da ja in der Regel keine schulischen Angebote haben.

Wie organisiert man eine Tafel mitten in einer Pandemie?

Thorand: Die Umstellung hat erstaunlich gut funktioniert. Wir haben in den einzelnen Teams des Vereins die Aufgaben delegiert. Die Tafel war für anderthalb Wochen geschlossen, danach haben wir eine Notversorgung wieder aufgenommen, im Freien, mit vorgepackten Tüten. Das ist natürlich längst nicht ideal, aber es hilft den Menschen. Inzwischen sind wir wieder in den üblichen Räumen, allerdings mit einem entsprechenden Abstands- und Hygienekonzept. Statt 20 Helfer pro Tafel haben wir Augenblick nur fünf, um die Kontakte zu minimieren. Das wichtigste ist, dass die Ausgabe reibungslos geschieht und keine Menschenansammlungen entstehen – und das gelingt bisher sehr gut. Davor musste unser Team aber auch zwei Tage durcharbeiten, um alles entsprechend zu planen.

„Meerbusch hilft“ bietet aber mehr als nur die Tafeln.

Thorand: Und in einigen anderen Bereichen hat uns die Pandemie noch härter getroffen. Nehmen wir mal das weite Feld Integration. Dazu gehört ja mehr als Unterstützung bei Behördengängen. Es ist so wichtig, dass die Menschen in die Gesellschaft kommen, auf Nachbarschaftsfeste und Kulturveranstaltungen gehen. Das fehlt im Moment. Schlimm ist es auch für beispielsweise junge Geflüchtete, denen im Moment die Schule und damit der Kontakt zu deutschsprachigen Gleichaltrigen fehlt. Das wirft die Integration insgesamt stark zurück. Auch ein neues Problemfeld ist entstanden: Die digitale Ausstattung von Kindern aus bedürftigen Familien für das Homeschooling. Wir bieten Laptops zum Verleih an, und obwohl der Bedarf da ist, gibt es noch eine gewisse Scham, diese Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wir machen daher auch für dieses Projekt intensiv Werbung.

Und auch Ihre Vereinsarbeit wurde durch die Sondersituation zurückgeworfen.

Thorand: Wir hatten viele Pläne für 2020, die wir nicht umsetzen konnten. Noch im Januar haben wir unsere Ehrenamtler geschult, aber danach lief nur noch wenig. Unser fünfter Geburtstag sollte im September gefeiert werden, hoffentlich können wir ihn in diesem Jahr nachholen. Aber wir haben gesehen, wo der Bedarf war, und unser Augenmerk lag und liegt natürlich darauf, diese Bedarfe zu decken.

Und das wird auch weiterhin eine wichtige Aufgabe sein?

Thorand: Ich sehe in den kommenden Monaten keine signifikante Entspannung der Lage auf uns zukommen. Wir haben natürlich ein Ohr am Fernseher, und das reduzierte Angebot, was wir haben, werden wir durchziehen. Dabei ist auch wichtig, dass kein Schlendrian in die Durchführung kommt. Wenn wir einen Fall haben, dann ist die Tafel zu, und das wäre fatal für die Bedürftigen. Aber auch dann könnten wir irgendwie improvisieren, so gut es geht.

Was schätzen Sie, wie werden Corona und seine Folgen die soziale Lage in Meerbusch langfristig verändern?

Thorand: Wir können nur hoffen, dass möglichst bald möglichst viele Menschen in ihren Beruf zurückkehren werden. Aber in manchen Branchen, etwa in der Gastronomie, wird es Opfer der Krise geben. Menschen werden ihre Arbeit dauerhaft verlieren – und damit kommen auch neue Menschen zu uns.

Wie geht es mit dem Verein weiter?

Thorand: „Meerbusch hilft“ ist solide aufgestellt. Wir können nur tun, was alle Vereine tun. Wir harren aus, wir dulden die Maßnahmen, die unsere Arbeit einschränken – obwohl sie natürlich wichtig und richtig sind. Und wir hoffen, dass die Krankheit uns in Ruhe lässt.

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