Interview mit Grünen-Chef Christian Gaumitz: „Ikea hat viel Kraft gekostet“

Grünen-Chef Christian Gaumitz zieht im Interview Jahresbilanz und steckt neue Ziele ab.

Kaarst. Demografischer Wandel, Ikea-Umzug oder Sparhaushalt: Die Aufgaben des Stadtrates, Kaarst fit für die Zukunft zu machen, werden sicher nicht einfacher. In einer mehrteiligen Interview-Serie blickt die WZ auf Themen zurück, die in diesem Jahr Schlagzeilen gemacht haben und befragt die Fraktionsvorsitzenden zu ihrem Jahresrückblick und Ausblick auf 2013. Den Anfang macht Grünen-Chef Christian Gaumitz.

WZ: Herr Gaumitz, im Januar feierten die Grünen ihr 30-jähriges Bestehen in Kaarst. Wo steht die Partei?

Gaumitz: Wir haben in Kaarst so viele Aktive wie in den vergangenen 15 Jahren nicht. Die Partei ist präsent, sehr gut vernetzt und wesentlich breiter aufgestellt als zu den Anfängen. Das spiegelt sich auch thematisch wider. Wir sind keine Nischenpartei mehr.

WZ: Ist Kaarst grüner geworden?

Gaumitz: Auf jeden Fall. Die Stadtverwaltung bezieht jetzt zu 100 Prozent Ökostrom. Das haben wir in den vergangenen zehn Jahren immer wieder beantragt. Zum 1. Januar wird durch die Rekommunalisierung die Stromversorgung wieder in die eigene Hand genommen und geht von RWE auf die Kaarster Stadtwerke über. Aber auch Themen wie Mängelmelder, Signets für Barrierefreiheit oder eine generationenübergreifende Stadtplanung sind gesellschaftlich angekommen. Das sind kleine Erfolge, da ist Kaarst ein Stück grüner geworden.

WZ: Die Grünen haben die Stadt im Herbst auf das PCB-Problem an der Vorster Grundschule aufmerksam gemacht. . .

Gaumitz: Ja, wir wollen ein Schadstoffkataster einführen und haben in diesem Zusammenhang bei der Stadt nachgefragt. Im Februar wird ein Raum an der Schule probesaniert. Doch das Thema wird von der Stadt nicht ernst genommen, die Eltern werden nicht wirklich aufgeklärt. Auf den Vorschlag, das Landesumweltamt beratend und kostenlos einzubeziehen, ist die Verwaltung nicht eingegangen.

WZ: Wie fällt Ihr persönlicher Jahresrückblick 2012 aus?

Gaumitz: Schon sehr gemischt. Durch die Veranstaltungen zum 30-jährigen Bestehen ist die Partei gut aufgestellt. Das Thema Ikea hat allerdings viel Kraft gekostet. Es gibt zwar kleine Lichtblicke, aber die Struktur ist zum Großteil immer noch verkrustet.

WZ: Die Stadt hat das höchste Defizit in ihrer Geschichte. Welche Auswirkungen hat das auf die Haushaltsberatungen der Grünen?

Gaumitz: Wir haben eine sehr angespannte Haushaltslage, aber man muss zwei Ebenen trennen: Die Verschuldung auf der einen Seite und den Liquiditätsengpass auf der anderen. 6,5 Millionen Euro fest eingeplanter Gewerbesteuer sind nicht eingegangen, aber Kaarst ist nicht überschuldet. Unsere Aufgabe ist es jetzt, das strukturelle Defizit zu beseitigen. Das ist möglich, wenn wir die Betriebskosten — etwa durch energetische Gebäudesanierungen — senken. Investitionen müssen auf den Prüfstand.

WZ: Wird das Feuerwehrgerätehaus in Büttgen 2013 gebaut?

Gaumitz: Die Standortentscheidung ist fix. Jetzt müssen wir abwarten, ob die Pläne mit der Minigolfnutzung vereinbar sind. Passt es nicht, haben wir vorgeschlagen, den Verein bei einer Umsiedlung zum Kirchweg zu unterstützen. Geht alles glatt, könnte die Feuerwehr das Gebäude ab 2014 nutzen.

WZ: Welchen Wunsch hätten Sie gern 2013 frei für die Planungen Kaarster Kreuz?

Gaumitz: Es muss dringend ein belastbares Verkehrskonzept geben und ein Nachhaltigkeitskonzept erarbeitet werden. Ein bisschen Photovoltaik auf dem Ikea-Dach und Sickersteine reichen da nicht. Die Infrastruktur muss besser vernetzt werden, da muss man als Stadt die Firmen begeistern können. Ein CO2-freies Gewerbegebiet wäre ein Alleinstellungsmerkmal. Aber da bewegt sich nichts.

WZ: Was ist Ihr Hauptkritikpunkt am geplanten Gewerbegebiet Kaarster Kreuz mit dem neuen Ikea-Standort?

Gaumitz: Das Grundproblem ist nicht gelöst. Die Kernbotschaft lautet: Was ist der Benefit für die Menschen in Kaarst? Das kann uns keiner beantworten.

WZ: Welches Projekt liegt Ihnen 2013 besonders am Herzen?

Gaumitz: Mit nur einem Projekt tue ich mich schwer. Die Haushaltskonsolidierung hat Priorität. Der Neubau des Feuerwehrhauses gehört zu den konkreten Projekten, bei den globalen Aufgaben hat das Thema Stadtentwicklung für mich große Bedeutung.

WZ: Wie fortschrittlich ist Kaarst?

Gaumitz: Wir haben einen Bürgermeister, der nicht fortschrittlich ist. Er ist technikfeindlich und hat Angst vor zu viel Bürgernähe. Angst, etwas zu verändern und eigene Positionen durchzuziehen. Er ist im schlechten Sinne konservativ. Warum macht man in Kaarst nichts Innovatives?

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