Blumenteppich für Fronleichnam

Melusine Leßmann entwirft das Muster zum letzten Mal.

Kaarst. Wenn am Donnerstag der Prozessionszug an der Kirche St. Martinus ankommt, endet er wie in jedem Jahr an einem dort aufgebauten Altar. Und wie in jedem Jahr wird vor dem Altar ein bunter Blumenteppich liegen. Verantwortlich für diesen farbenprächtigen Brauch ist eine kleine Gruppe engagierter Frauen aus dem Kreis des Vereins „Freunde des alten Dorfes“.

Seinen Ursprung nahm dieser Brauch bereits vor 43 Jahren in der wieder aufgebauten romanischen Kirche Alt-Martin im Alten Dorf. Der Altar sollte auch dort neben der Kirche zur Fronleichnamsmesse aufgebaut werden, der Boden bestand jedoch nur aus Sand. Im Kreise der damaligen „Altar-Gemeinschaft“ entstand die Idee, auf dem Sand einen Teppich aus Blumenstreu vor dem Altar zu entwerfen.

„Toni Spenrath drückte mir damals ein angespitztes Stöckchen in die Hand und sagte ,So, jetzt mach mal“, erinnert sich die heute 79-jährige Melusine Leßmann. Sie malte das Muster des ersten Fronleichnamsteppichs in den Sandboden. Die anderen Frauen der „Altar-Gemeinschaft“ zogen los, pflückten im ganzen Ort Blüten und füllten die von Melusine Leßmann gezeichneten Muster aus.

Als ein Jahr später der erste Altar vor der neuen Kirche am Rathausplatz errichtet wurde, wanderte der Blütenteppich mit an den neuen Standort. „Der Platz war viel größer als vor der alten Kirche und wir brauchten viel mehr Blüten für unseren Teppich, darum sind wir am Tag vor Fronleichnam mit Wilhelm Müller, dem Vater des heutigen Präsidenten der Freunde des alten Dorfes, Heinrich Müller, die Gewächshäuser abgefahren und haben Blüten und Grün eingesammelt.“

Auch diesmal stammte der Entwurf für den auf 3,50 mal 6 Meter angewachsenen Blütenteppich von Melusine. Dies sollte auch in den nächsten Jahrzehnten so bleiben.

Schon Wochen vor dem Festtag setzt sie sich in ihren Garten und entwirft den aktuellen Teppich auf einem Blatt Papier. „Die Ideen fliegen mir einfach zu“, erzählt die Seniorin. Auch der neue Entwurf für diesen Donnerstag ist bereits fertig. Nur heutzutage ziehen die Frauen nicht mehr durchs Dorf, um Blumen zu sammeln. Martina und Heinrich Müller holen das Teppichmaterial vom Neusser Blumengroßmarkt, dies wird dann am Mittwochnachmittag vom „Teppichteam“ gerupft und farblich getrennt in Körbe verteilt.

Am Fronleichnamstag wird Melusine Leßmann wieder 1,5 Stunden brauchen, um ihren Entwurf mit Kreide auf die Steinplatten vor der Kirche zu übertragen, eine anstrengende Arbeit für die 79-Jährige.

„Ich fange um 8.15 Uhr an, die anderen Frauen des Teams kommen danach und füllen die Ornamente. Das muss sehr genau gemacht werden, damit es hinterher schön aussieht“, sagt Leßmann. Gemeinsam werden sie dann wieder einen Blütenteppich vollendet haben, der von den Kirchgängern bestaunt werden wird. Auch wenn Melusine Leßmann die Regie beim Blumenteppich führt, ist es ein Teamprojekt von neun Frauen, die das Brauchtum und das alte Dorf hoch halten.

Melusine Leßmann hofft, dass sie ihren Teil der Arbeit jetzt nach 43 Jahren an eine Jüngere weitergeben kann, denn sie fühlt sich nicht mehr fit genug.

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