Geschichtsverein Grevenbroich Opfer kamen aus Hemmerden

Hemmerden. · Ulrich Herlitz erinnert das Schicksal der im Holcaust ermordeten Familien.

 Helmut Sachs mit Mutter Henriette und Schwester Jenny

Helmut Sachs mit Mutter Henriette und Schwester Jenny

Foto: Familie Sachs-Aussen

(wilp) Das Landgericht Hamburg hat in der Vorwoche einen früheren SS-Wachmann im Konzentrationslager Stutthof unter anderem wegen Beihilfe zum Mord in 5232 Fällen zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Seine Opfer kamen auch aus den Hemmerdener Familien Winter, Sachs-Aussen und Theisebach. Darauf weist jetzt Ulrich Herlitz, Vorsitzender des Grevenbroicher Geschichtsvereins, hin.

„Keinerlei Chance, keinerlei Empathie, geschweige denn Recht und Gnade erfuhren die Opfer vor 75 Jahren im Konzentrationslager Stutthof“, berichtet Herlitz, der der Geschichte der jüdischen Familien in Grevenbroich erforscht hat. Nur wenige, wie Marianne Winter, Walter Theisebach und Helmut Sachs, hätten das bei Danzig gelegene Konzentrationslager überlebt.

Als Helmut Sachs am 3. Mai 1945 im holsteinischen Neustadt befreit wurde, war er gerade erst 15 Jahre alt. Seine gesamte Familie – seine Schwester Jenny, die Eltern Philipp und Henriette – starben im Holocaust, ebenso wie Tanten und Onkel der Familien Theisebach, Aussen und Winter. Hinter Sachs lagen die Deportation in das Ghetto von Riga, die Konzentrationslager Kaiserwald und Stutthof sowie ein Todesmarsch in die Lübecker Bucht.

Noch als die Briten vor den Toren Neustadts standen, sei es durch den örtlichen Volkssturm und SS-Bewachern, wie den jetzt verurteilten 93-Jährigen, am Strand von Pelzerhaken zu einer Jagd auf entflohene Stutthof-Häftlinge gekommen. „Etwa 200 KZ-Insassen wurden noch kurz vor der Befreiung ermordet“, berichtet Herlitz.

Haftstrafe wurde zur
Bewährung ausgesetzt

Die Kernbotschaft des jetzt gesprochenen Urteils laute: „Mord verjährt nie, seine Strafverfolgung auch nicht“, betont der Vorsitzende des Geschichtsvereins. Er hoffe darauf, dass der 93-Jährige das milde Urteil nicht anfechten wird, „damit der Urteilsspruch insoweit Rechtsgeschichte schreiben kann“. Ein Problempunkt sei jedoch, dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde – „für Massenmord“.

Der ehemalige Wachmann habe sich zwar bei den Opfern entschuldigt, jedoch weder ein persönliches Unrechtsbewusstsein noch eine eigene Anerkennung von Schuld an den Tag gelegt. „Eine vertane Chance, quasi in allerletzter Minute tätige Reue zu zeigen. Es hätte ein bedeutendes, wahrhaft historisches Bekenntnis sein können, das zwar spät, aber vielleicht zu spät einen Schritt in Richtung Sühne hätte bewirken können“, meint der Vorsitzender des Grevenbroicher Geschichtsvereins.

Er hatte noch im Sommer vergangenen Jahres mit Nachfahren der Hemmerdener Familie Sachs die ehemaligen Konzentrationslager Riga und Stutthof besucht. Gemeinsam wurde dort das Kaddisch gesprochen, das Totengebet für die Familienangehörigen.

(wilp)
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