Dünnes Rinnsal befürchtet Erftverband will schnelle Renaturierung

Grevenbroich · Nach 2029 wird der Fluss bis zu 75 Prozent weniger Wasser führen. Fischsterben und üble Gerüche könnten die Folgen sein. Der Erftverband will das verhindern. Ein weiteres Problem: der gestraffte Zeitplan für die Füllung der Restseen.

 In der Erft wird es künftig weniger Wasser geben.

In der Erft wird es künftig weniger Wasser geben.

Foto: Kanu-Club/Wiedner-Runo

Die jüngst von der Landesregierung vorgestellte neue Leitentscheidung zur Braunkohleförderung steckt den Rahmen des vorzeitigen Kohleausstiegs im Rheinischen Revier konkret ab – und macht deutlich, mit welchen Auswirkungen für die Region zu rechnen ist. Stark betroffen sein wird auch die Erft. Was sich viele noch kaum vorstellen können: Die Wassermenge wird sich mit dem Ende der Kohleförderung im Tagebau Hambach nach 2029 drastisch reduzieren. Derzeit stammen drei Viertel des mittleren Abflusses der Erft aus Sümpfungswasser, das am Tagebau Hambach in die Erft eingeleitet wird. Auf den letzten
40 Kilometern vor der Mündung in den Rhein entspricht das etwa sechs von acht Kubikmetern Ablauf pro Sekunde.

Die Wassermenge wird sich so stark reduzieren, dass der Fluss an frei fließenden Stellen in Niedrigwasserphasen droht, trockenzufallen. Genau das will der Erftverband verhindern und den begradigten Fluss schnellstmöglich durch eine Renaturierung fitmachen. Das Ziel: mehr Strömungsvielfalt für ein funktionierendes Ökosystem. Doch durch das vorzeitige Ende des Tagebaus Hambach fehlen 15 Jahre Zeit. Bisher sind lediglich drei bis vier von insgesamt 23 Einzelprojekten baulich abgeschlossen, darunter die „Entfesselung“ bei Frimmersdorf. Weitere Projekte befinden sich in Planung, die Gesamtkosten werden auf 132,5 Millionen Euro beziffert.

Laut Dietmar Jansen, Bereichsleiter Gewässer beim Erftverband, bestehe das Risiko, dass sich negative Auswirkungen des verminderten Abflusses nicht rechtzeitig abfedern lassen. „Besonders problematisch werden Niedrigwasserphasen sein“, sagt Jansen. Man dürfe nicht vergessen, dass die Erft noch lange Zeit wegen des abgesenkten Spiegels nicht von Grundwasser gespeist wird. „Deshalb wird es auf den 40 Kilometern bis Neuss einige Versickerungsverluste geben.“ In Grevenbroich ist der Fluss auf etwa 15 Kilometern fast komplett staugeregelt. „Innerhalb der Stauhaltungen könnte die Wasserqualität leiden“, sagt Jansen.

Der Erftverband hält bei einem geringen Wasseraustausch eine Förderung beispielsweise von Stechmücken, ein Fischsterben in der warmen Jahreszeit und Geruchsbelästigungen, die von den gestauten Abschnitten ausgehen, für erwartbar. Der Verband bereitet sich bereits auf solche Auswirkungen vor, sieht laut Jansen aber grundsätzlich Chancen, diese abzuwenden.

Der SPD-Kreistagspolitiker Rainer Thiel, der auch dem Strukturwandelsausschuss vorsitzt, hatte in Reaktion auf die neue Leitentscheidung die Bedeutung einer schnellen Renaturierung der Erft betont – und weitere Auswirkungen auf das Revier zu bedenken gegeben, darunter die Dimension der Rheinwasser-Transportleitung zur Füllung der Tagebau-Restseen Garzweiler und Hambach. In der Leitentscheidung steht, dass die Befüllung der Restseen „auf einen Zeitraum von möglichst 40 Jahren nach Ende der Braunkohleförderung im Tagebau ausgerichtet werden“ soll. Ob für die Füllung des Restsees von Hambach die bereits genehmigte Rheinwasser-Transportleitung zwischen Dormagen und Frimmersdorf angezapft werden soll, ist offen.

RWE-Sprecher Guido Steffen zufolge biete die Trasse genug Platz für eine dritte Röhre. Bislang sind zwei Versorgungsleitungen geplant. Der Bau der unterirdischen Leitung, die auf einer Länge von 24 Kilometern durch Dormagener, Rommerskirchener und Grevenbroicher Stadtgebiet führt, soll 2025 starten. „Wenn wir ab 2030 die Restmulde bei Hambach füllen, muss das Wasser irgendwo herkommen“, sagt Steffen. „Es wird ein neues Planverfahren geben müssen, um zu schauen, wie das Wasser an die Mulde herangeführt wird.“ Zur Option stehe auch eine Wasserentnahme südlich von Köln. Der Ball liege nun bei der Landesregierung, die sich mit der Schifffahrtsverwaltung und der Rheinkommission auf die Entnahmemengen verständigen müsse.

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