Ein Ort der Stille an der A 57: Die Autobahnkapelle St. Raphael

1975 musste die Gemeinde St. Gabriel Land für den Bau der Dormagener Autobahnrasstätte abgeben. Vom Erlös baute sie eine Kapelle.

Ein Ort der Stille an der A 57: Die Autobahnkapelle St. Raphael
Foto: tüc

Dormagen. Dienstags wird gekehrt, freitags feucht gewischt: Seit 41 Jahren pflegen fünf Frauen und zwei Männer die kleine Kapelle hinter der Tankanlage der Autobahnraststätte Nievenheim. St. Raphael, 1976 geweiht, war die erste von heute acht Autobahnkapellen und -kirchen in NRW; 44 gibt es mittlerweile bundesweit. „Die Besucherzahlen sind sehr unterschiedlich, aber wir gehen von 10 000 Menschen pro Jahr aus“, sagt Helene Schiele.

Die heute 75-Jährige gehörte mit ihrem Mann von Anfang am zum ehrenamtlichen Team der katholische Kirchengemeinde St. Gabriel in Dormagen-Delrath, das sich um die Kapelle kümmert. 1976 musste die Gemeinde Land für den Bau der Autobahnratsstätte Nievenheim-Ost an der A 57 abgeben und entschloss sich auf Initiative des damaligen Pfarrers, von dem Erlös (der mit Spendengeldern aufgestockt werden musste) eine Autobahnkapelle zu bauen.

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Für die Gestaltung der einfachen Backstein-Kapelle engagierte die Gemeinde den Architekten Carl Hecking, einen frühen Mitarbeiter des Kirchenbaumeisters Dominikus Böhm. Hecking wählte eine sechseckige, wabenförmige Grundform, die in der Innengestaltung vom Fußbodenbelag bis zur Form des Opfertisches mit dem Kerzenständer immer wieder aufgenommen wird. Das gibt dem Dach, von innen mit warmem, braunen Holz verkleidet, eine zeltartige Form.

Der erstaunlichste Eindruck ist zugleich das, was Helene Schiele an der Kapelle so gut gefällt: „Die Stille. Das beeindruckt alle.“ Auch Muslime besuchten den Andachtsraum. Einmal habe sie eine Gruppe Iraner getroffen: „Die waren ganz fasziniert und fühlten sich gleich angesprochen.“ Der Raumeindruck rührt nicht zuletzt von den schmalen Fenstern her, deren schlichte Verglasung die Stimmung des Tageslichts gedämpft hineinlässt. Und die Kapellentür ist ein wahres Schallschutzwunder. Wie die Wahl des Architekten, weist auch die Wahl von Jochem Perchau (1929-1989) für die namensgebenden Statue des Erzengels Raphael und des symbolischen Fischs die Kapelle als rheinischen Kirchenbau aus. In den Kirchen der Region ist Perchau unter anderem mit einem Weinstock-Wandrelief in St. Paulus in Velbert (Architekt: Gottfried Böhm), Altar und Tabernakel der Kirchen Heilig Geist in Ratingen-West, Heilige Ewalde in Wuppertal-Cronenberg und St. Remigius in Wuppertal-Sonnborn (dort auch der Ambo) sowie dem Marktbrunnen vor dem St. Quirinus-Münster in Neuss vertreten.

Den geflügelten Erzengel aus roh belassenem Stein stellte Perchau mit dezent gefärbten Blumen auf dem Mantel, Wanderstock und Pilgerflasche dar. „Wie der Erzengel Raphael, dessen Schutz die Kapelle anvertraut ist, den jungen Tobias auf seiner gefahrvollen Reise nach Medien geleitete und glücklich in sein Vaterhaus zurückführte, so möge er alle Verkehrsteilnehmer schützen und ihnen das Ziel ihrer Reise unversehrt schenken“, erklärt die Gemeinde die Wahl des Schutzpatrons aus dem Alten Testament (siehe Tob 5,4-12, 22) in einem kleinen Faltblatt, das in der Kapelle ausliegt.

Ursprünglich lag die Kapelle direkt neben dem Raststätten-Gebäude und damit im Zentrum der Anlage, bevor der Rastraum in das Tankstellengebäude integriert und die alte Raststätte abgerissen wurde. „Damals hatten wir natürlich noch mehr Besucher“, erzählt Helene Schiele. Nun liegt die Kapelle etwas versteckt hinter dem Hauptgebäude, durch die Anlage neuer Lkw-Stellplätze aber wieder in der Mitte des Areals.

Die Gemeinde St. Gabriel Delrath bindet die Kapelle in ihr Leben mit ein: Es gibt Autosegnungen, nach Ostern führt der Emmaus-Gang der Gemeinde zur Kapelle. „Viele kommen aber auch mit dem Fahrrad über die Feldwege“, erzählt Helene Schiele.

Für Autofahrer ist St. Raphael nur über die A 57 aus Richtung Köln erreichbar. Ein kirchlicher niederländischer TV-Sender hat gerade eine Dokumentation über die kleine Kapelle gedreht, die von vielen Holländern auf dem Nachhauseweg aufgesucht wird. Die meisten heutigen Besucher seien wohl eher unregelmäßige Kirchgänger, vermutet Schiele: „Viele Vertreter, Leute mit großen Autos, die sonst nicht viel Zeit haben.“

Für sie ist St. Raphael rund um die Uhr geöffnet, als „Rastplatz für die Seele“, wie Straßen NRW die acht Gotteshäuser an nordrhein-westfälischen Autobahnen sagt.

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