Streit um Bäder-Gutachten

Aktivisten zweifeln veranschlagte Sanierungskosten an. Entscheidung muss bis zum Sommer fallen.

Dormagen. Mit diesen persönlichen Angriffen hatte Norbert Brauer wohl nicht gerechnet. Kaum hatte der Fachmann seinen Vortrag zum baufälligen Zustand der Dormagener Hallenbäder bei der Sitzung am Dienstag beendet, trat Karl-Heinz Reuter ans Mikrofon und zerriss die gesamte Expertise in der Luft.

„Sie haben keine Ahnung vom Bäderbau und untersuchen hier Dinge, die so interessant sind, als ob in China ein Sack Reis umfällt“, erklärte der Neusser, der als Inhaber der Planungsgruppe Bad schon etliche Badeanstalten saniert hat.

Wie die WZ berichtete, hatte Brauer im Auftrag der Stadtmarketing- und Verkehrsgesellschaft die Bausubstanz der beiden städtischen Hallenbäder geprüft, Stichproben genommen und dabei gravierende Mängel entdeckt: Im 1960 erbauten Bad in Dormagen ist das Dach schwer beschädigt und schimmelt, zudem weist das Schwimmbecken Risse auf.

Gut zehn Jahre jünger und dennoch baufälliger stellt sich die Nievenheimer Schwimmhalle dar, bei der Dach, Fassade, Fundamente und Kellerdecke laut Brauer „substanziell geschädigt“ sind. Um allein die Bausubstanz ohne Gebäudetechnik für die nächsten vier oder fünf Jahrzehnte fit zu machen, veranschlagt der Statiker 11,4 Millionen Euro.

Brauer liegt damit knapp 3,9 Millionen höher als die Unternehmensberatung Altenburg, die sich 2010 ebenfalls mit den Badeanstalten beschäftigte und auf 7,4 Millionen Euro Sanierungsvolumen inklusive der Technischen Gebäudeausstattung kam.

Aus dieser Differenz zieht die Bürgerinitiative „Gegen den Bäderabriss“ einen eindeutigen Schluss. „Das Brauer-Gutachten ist offensichtlich von der Aufgabenstellung der Auftraggeber geleitet, durch einen erhöhten Sanierungsaufwand beide Bäder kaputtzuschreiben“, mutmaßte BI-Chefin Kerstin Born, die als Vorsitzende der Schwimmgemeinschaft Nievenheim-Delrath für den Erhalt der Bäder plädiert.

„Die Kostenschätzung von Altenburg beruht lediglich auf einer Sichtprüfung und Vergleichswerten“, stellte Bürgermeister Peter-Olaf Hofmann klar. Die Erklärungsversuche verhallten bei den Aktivisten nahezu ungehört.

Eher zurückhaltend reagierte dagegen die Politik auf Brauers Ausführungen. FDP-Fraktionschef Karl-Heinz Meyer sprach von „Erkenntnissen, die wir dringend brauchen, um über unsere Bäderlandschaft vernünftig entscheiden zu können“.

Sanierung beider Hallen oder Abriss und Neubau nur noch eines Bades — diese Entscheidung muss laut CDU-Fraktionsvorsitzendem Wiljo Wimmer bis zum Sommer fallen. Denn im jetzigen Zustand, das wurde am Dienstag deutlich, ist die Lebensdauer beider Bäder stark begrenzt.

„Wir müssen ja auch noch die Bauzeit von eineinhalb bis zwei Jahren einkalkulieren“, so Wimmer. Er hält es für möglich, die nötigen Investitionen trotz Haushaltssicherung durch Kredite zu finanzieren.

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