„Dormagener Modell“ seit fünf Jahren Vorbild

Frisch gebackene Eltern erhalten vom Jugendamt ein Baby-Begrüßungspaket.

Dormagen. Fünf Jahre ist es her: Als erste Stadt in Nordrhein-Westfalen führte Dormagen im Oktober 2006 ein Baby-Begrüßungspaket ein. „Wir wollen den Eltern frühzeitig Hilfe anbieten und zeigen, dass sie als Familie bei uns willkommen sind.“

Dies sagte der damalige Bürgermeister Heinz Hilgers bei der Vorstellung der Besuche, die vom Jugendamt seither angeboten werden.

„Niemand hätte sich jedoch träumen lassen, wie viel positive Bewegung aus dieser Aktion entstanden ist“, sagt Jugenddezernent Gerd Trzeszkowski und blickt zurück. Durch Missbrauchsfälle wie „Kevin“ oder „Jessica“ wuchs mit einem Mal das Bewusstsein, dass im Kinderschutz mehr Prävention und neue Frühwarnsysteme erforderlich waren.

In dieser Zeit trat Dormagen mit seinen Elternbesuchen als integrativem Bestandteil eines vorbeugenden Netzwerks auf den Plan.

Das „Dormagener Modell“ zog bundesweit Aufmerksamkeit auf sich. Die zuständigen Mitarbeiter wurden rasch zu begehrten Referenten bei Fachtagungen.

„Heute gibt es die Elternbesuche in 80 Prozent aller Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen“, berichtet Jugendamtsleiterin Martina Hermann-Biert. Dormagen diente dabei oftmals als Ideengeber. „So wie wir uns selbst wiederum an Vorbildern aus dem skandinavischen Raum orientiert haben“, sagt Kinderschutz-Koordinator Uwe Sandvoss vom Jugendamt.

Aus Dänemark hat die Stadt etwa das Prinzip übernommen, grundsätzlich allen Eltern die Besuche anzubieten. „Dieses Prinzip hat erheblich zur Akzeptanz unseres Angebots beitragen, weil niemand sich dadurch diskriminiert fühlen muss“, sagt Sandvoss.

Alle Eltern können von Hinweisen und Tipps rund um das Kind profitieren, die ihnen das Elternbegleitbuch bietet. Der Ringordner mit dem Titel „Willkommen im Leben“ wurde in Kooperation mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung entwickelt. Wer will, kann sich bei den Elternbesuchen von den Fachkräften des Jugendamtes beraten lassen.

„Bei insgesamt 2800 Besuchen, die von den 14 Fachkräften des Jugendamtes vorgenommen wurden, haben 800 Familien das Beratungsangebot angenommen“, erläutert Sandvoss die Bilanz. In 300 Fällen wurde die Beratung auch über den Besuch hinaus genutzt.

Bei fünf Prozent der Familien organisierte das Jugendamt kurzfristig Hilfen zur Erziehung. Diese reichten von Entlastungen im Haushalt bis zur Begleitung der Eltern durch eine Sozialpädagogin.

Eine zentrale Voraussetzung für das Dormagener Modell hebt Dezernent Trzeszkowski hervor: „Unsere Hilfeangebote sind dadurch entstanden, dass wir uns mit Kinderärzten, Hebammen, Kindergärten, Schulen und den Wohlfahrtsverbänden an einen Tisch gesetzt haben.

Diese enge Partnerschaft ist das eigentliche Erfolgsrezept, denn alle Beteiligten tragen das Modell engagiert mit.“ So sind zu dem Babybegrüßungspaket inzwischen weitere Initiativen wie ein Infopaket für Schwangere und ein Sprachförderpaket hinzugekommen. Hausbesuche nehmen in Dormagen heute auch Erzieherinnen bei neuen Kindergartenkindern und Lehrer bei Erstklässlern vor.

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