„Gefahr für die Mitte“ Politische Straftaten in NRW steigen wieder

Düsseldorf · Der Verfassungsschutz in NRW sieht die gesellschaftliche Mitte in Gefahr. Sie werde „von allen Seiten angegriffen“ und mit Falschnachrichten bombardiert.

 Reul sprach von einer „Gefahr für die Mitte“.

Reul sprach von einer „Gefahr für die Mitte“.

Foto: dpa/Marcel Kusch

Die politische Kriminalität hat in Nordrhein-Westfalen nach vier Jahren Rückgang erstmals wieder zugenommen. Die Zahl der politisch motivierten Straftaten stieg im vergangenen Jahr um 8,5 Prozent auf 6540. Im Vorjahr waren es noch 6030 Straftaten. Das teilte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) bei der Vorstellung des neuen NRW-Verfassungsschutzberichts am Dienstag in Düsseldorf mit. Als Ursache nannten die Sicherheitsbehörden die vergangenen Kommunalwahlen sowie die Corona-Pandemie.

Rückläufig war dagegen die politisch motivierte Gewalt in Nordrhein-Westfalen. Die Gewalttaten sanken 2020 auf 331 Fälle und ein neues Zehn-Jahres-Tief - nach 427 Gewalttaten im Vorjahr. Bundesweit war ein entgegengesetzter Trend, ein starker Anstieg der politisch motivierten Gewalt, registriert worden.

Der NRW-Innenminister sprach von einer „Gefahr für die Mitte“. Viele Menschen seien verunsichert und deswegen empfänglich für Verschwörungstheorien und Fake-News. Die Corona-Krise sei ein Stresstest. „Die Strategien, die Mitte anzugreifen, werden immer perfider“, sagte er. „Wir werden bombardiert mit Verschwörungsmythen, mit falschen Nachrichten, mit Wissenschaftsfeindlichkeit, Homophobie, Misstrauen.“

Die Szene aus Corona-Rebellen und Querdenkern habe Bezüge zum Rechtsextremismus und zur Reichsbürger-Szene. Beim Angriff auf das Reichstagsgebäude in Berlin seien Querdenker aus NRW „an vorderster Front“ gewesen. „Wir müssen aufpassen, dass aus Querdenkern keine Querschläger werden“, so Reul.

Verfassungsschutz-Chef Burkhard Freier sagte, es bestehe die Gefahr, dass sich die Szene aus Querdenkern und Corona-Rebellen Rechtsextremisten und Reichsbürgern anschließen. Der Verfassungsschutz habe in NRW etwa 20 Rädelsführer im Blick, die auch zu Gewalt aufriefen.

In den Corona-Leugner-Netzwerken finde sich auch antisemitische Hetz-Propaganda, heißt es in einem Sonderbericht zu Verschwörungsmythen und Corona-Leugnern. „Da bildet sich etwas heran“, sagte Reul.

Freier warnte vor Cyberangriffen ausländischer Geheimdienste im Vorfeld der Bundestagswahl. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei es der russische Geheimdienst gewesen, der auch in NRW Mandatsträger von CDU und SPD angegriffen habe. Ziel seien die privaten E-Mail-Accounts der Politiker gewesen.

Es bestehe die Gefahr, dass Inhalte verfälscht und im Wahlkampf veröffentlicht würden, wie dies in osteuropäischen Staaten schon mehrfach geschehen sei, um Stimmung gegen die Nato zu machen.

Von den Hacker-Angriffen auf Mandatsträger seien auch zwölf aktuelle und zwei ehemalige Landtagsabgeordnete betroffen. Man habe sofort mit ihnen Kontakt aufgenommen und so vermutlich verhindern können, dass die Hacker an Daten gelangt seien. Der Angriff sei als angebliche Telekom-Mail getarnt gewesen.

Während die Zahl der Rechtsextremisten laut Verfassungsschutz in NRW auf 3940 gesunken sei, habe die der Linksextremisten auf 2570 leicht zugenommen. Die Zahl der Salafisten blieb mit 3200 unverändert.

(dpa/lnw)
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