Pflegethema Pflegedienste schlagen Alarm - Mangel an Fachkräften wächst

Düsseldorf · Allein in NRW müssen jeden Monat 9000 Absagen für Bedürftige erteilt werden, die Hilfe suchen. Verdi fordert bessere Arbeitsbedingungen.

 Der ambulante Pflegedienst muss immer öfter Bedürftigen Absagen erteilen. Foto: Symbolbild

Der ambulante Pflegedienst muss immer öfter Bedürftigen Absagen erteilen. Foto: Symbolbild

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

In NRW wird es immer schwieriger, einen ambulanten Pflegedienst zu finden. Nach Angaben der Freien Wohlfahrtspflege müssen die Wünsche der Bedürftigen zunehmend abgelehnt werden, weil die steigende Nachfrage nicht mehr gedeckt werden kann. Nach einer aktuellen Umfrage musste im Schnitt jeder ambulante Pflegedienst pro Monat mehr als zehn Absagen aussprechen. Das sind zusammen 9000 Absagen von Pflegediensten der Freien Wohlfahrtspflege gegenüber Bedürftigen.

Die Zahlen stammen aus einer Stellungnahme des Verbandes zu einer Anhörung zur Zukunft der Pflege, die am Mittwoch auf Antrag der Grünen im Sozialausschuss des Landtages stattfindet. Die Freie Wohlfahrtspflege betreut etwa 60 Prozent der ambulant Pflegebedürftigen in NRW. In dem Verband haben sich AWO, Caritas, Rotes Kreuz, Diakonie, Paritätischer Wohlfahrtsverband und Jüdische Gemeinden zusammengeschlossen.

Wie es in der Stellungnahme weiter heißt, fehlten 2018 in NRW rein rechnerisch 4268 Pflegefachkräfte. Offene Stellen bleiben im Schnitt 167 Tage unbesetzt – diese Zahl liegt um 67 Prozent über dem Durchschnitt aller Berufe.

Noch tragen die Angehörigen in der Pflege die Hauptlast

In NRW werden etwa 71 Prozent der Pflegebedürftigen in ihrer Wohnung oder ihrem Haus versorgt. Dabei engagieren sich zu zwei Dritteln Frauen – meist Ehefrauen, Töchter und Schwiegertöchter. Etwa 50 Prozent der zu Hause lebenden Pflegebedürftigen werden allein von Angehörigen gepflegt, gut 20 Prozent gemeinsam mit ambulanten Diensten. Alle Experten erwarten, dass sich die traditionellen Familienstrukturen weiter grundlegend wandeln und eine Pflege durch Angehörige immer seltener gewährleistet sein wird.

„Die schlechte Bezahlung ist nicht das Hauptproblem der Pflegekräfte“, sagt Jan von Hagen auf Nachfrage dieser Zeitung. Der Pflege-Experte wird die Gewerkschaft Verdi bei der Anhörung im Landtag vertreten. Seiner Ansicht nach müssen vor allem die Arbeitsbedingungen verbessert werden. „Die Fachkräfte steigen vielfach schon kurz nach der Ausbildung wieder aus dem Beruf aus, weil die Belastung zu hoch ist. Sie sind einfach für zu viele Pflegebedürftige zuständig“, sagt von Hagen.

Nach seinen Angaben verdienen examinierte Fachkräfte im Krankenhaus und im Pflegeheim nach fünf Berufsjahren knapp 2900 Euro brutto im Monat. In der ambulanten Pflege sei die Bezahlung oft schlechter. „Wer den Arbeitgeber wechselt, kann aber durchaus eine bessere Entlohnung aushandeln, denn die Fachkräfte sind sehr begehrt.“

Um die wachsenden Ausgaben der Pflegeversicherung finanzieren zu können, schlägt die Freie Wohlfahrtspflege NRW vor, die Beitragsbemessungsgrenze auf das Niveau der Rentenversicherung anzuheben, also von 4537,50 auf 6700 Euro des monatlichen Bruttoeinkommens. Einkommen bis zur dieser Höhe sollte sozialversicherungspflichtig sein. Zudem sollten Mieten, Pachten und Dividenden herangezogen werden.

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