Integration NRW will Bleiberecht für viele Geduldete

Düsseldorf · Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) ermutigt die Behörden per Erlass, Spielräume zugunsten gut integrierter Ausländer zu nutzen.

 Joachim Stamp, nordrhein-westfälischer Integrationsminister, will die Perspektiven für gut integrierte Geduldete verbessern.

Joachim Stamp, nordrhein-westfälischer Integrationsminister, will die Perspektiven für gut integrierte Geduldete verbessern.

Foto: dpa/Christophe Gateau

NRW-Integrationsminister Joachim Stamp will die Perspektiven für gut integrierte Geduldete verbessern und hat dazu einen Bleiberechtserlass mit den Ausländerbehörden in Nordrhein-Westfalen erarbeitet. Ziel ist es, abgelehnten Asylbewerbern, die dennoch in der deutschen Gesellschaft und im deutschen Arbeitsleben angekommen sind, eine Aufenthaltserlaubnis zu verschaffen. Stamp sagt, man brauche eine „Mentalitätsveränderung“ in den zuständigen Behörden, wo es bislang eine „starke Konzentration nur auf das Rückführen“ gegeben habe. NRW sei das erste Bundesland, das die Spielräume der Bundesgesetzgebung zugunsten integrierter Ausländer per Erlass ausnutzen will.

Die Möglichkeit, einem Geduldeten eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, gibt es mit dem Paragrafen 25b des Aufenthaltsgesetzes theoretisch seit 2015. Laut Stamp wird in der Praxis allerdings zu wenig Gebrauch davon gemacht. Sein Erlass zeigt nunmehr den Ausländerbehörden Auslegungsspielräume auf und ermutigt sie explizit, diese zugunsten der Betroffenen zu nutzen, die die Kriterien erfüllen. Oder mit denen, die sie noch nicht erfüllen, Verfahren zu vereinbaren, um zu einer Bleibeperspektive zu gelangen.

Wer sich sozial engagiert, profitiert

Knapp 56 000 geduldete Ausländer leben aktuell in NRW. Wie viele von ihnen vom neuen Erlass profitieren könnten, kann das Integrationsministerium nicht beziffern. Infrage kommen Menschen, die seit acht Jahren in Deutschland sind – sechs Jahre bei Familien mit Kindern. Von dieser Zeitspanne könne um bis zu zwei Jahre abgewichen werden, wenn eine herausragende Integrationsleistung erbracht wurde; zum Beispiel großes soziales Engagement.

Generell brauchen die Menschen für einen Wechsel aus der Duldung in den geregelten Aufenthalt Kenntnisse von Sprache, Gesellschaftsordnung und müssen ihren Lebensunterhalt zu 51 Prozent selbst bestreiten oder eine Zusage haben, diesen bald vollkommen selbst zu verdienen.

Seine Postmappe, schildert Stamp, quelle über mit Petitionen von Menschen, in deren Umfeld gut integrierte Menschen nach langjähriger Duldung doch noch abgeschoben werden sollen, oder von Betrieben, die so wertvolle Mitarbeiter verlieren. Das sei „menschlich problematisch und volkswirtschaftlich falsch“. Gleichzeitig stellt der Minister klar, dass die harte Linie der Landesregierung gegenüber kriminellen Ausländern unverändert bleibe: „Straftaten werden ein K.o.-Kriterium bleiben bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels.“ Auch wer nicht bei der Klärung seiner Identität und der Beschaffung von Passpapieren helfe, komme für den neuen Erlass nicht in Betracht: „Diejenigen, die sich nicht an die Spielregeln halten, können nicht mit der Großzügigkeit des Staates rechnen“, so Stamp.

An Berlin vorbei

Dass er in NRW bisweilen gern noch großzügiger vorginge, aber von restriktiven Vorgaben der Bundesregelungen ausgebremst wird, daraus macht der Integrationsminister keinen Hehl. Er nennt es „mein großes Handicap“ und beschwört erneut die „zwingende Notwendigkeit“ eines Migrationsgipfels mit Kommunen, Ländern und Bund – der allerdings an dem fehlenden Willen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) scheitere. Stattdessen klopfe das NRW-Integrationsministerium jetzt gemeinsam mit anderen Bundesländern – quasi an Berlin vorbei – ab, in welchen Punkten es in der Migrationspolitik Konsens gibt. Da sieht Stamp „von den vernünftigen Leuten in der CSU bis zu den vernünftigen Leuten bei den Grünen“ durchaus eine Basis.

Doch nicht nur, weil er im Rahmen der Bundesgesetze bleiben muss, dämpft Stamp Erwartungen, der NRW-Bleiberechtserlass werde „Wunderdinge“ vollbringen: „Er ist ein erster Schritt“, erklärt er. Vor allem sei er nur so viel wert wie die praktische Umsetzung in den Ausländerbehörden vor Ort. Denn: Die Vergabe von Aufenthaltstiteln an Geduldete sei weiterhin „kein einklagbares Recht“, sondern liege im Ermessen der Sachbearbeiter. „Ich glaube aber, dass der Erlass die Sichtweise der Mitarbeiter verändern wird“, so Stamp.

Die Behörden wurden bewusst in die Erarbeitung des Erlasses einbezogen und künftig auch bei dessen halbjährlicher Evaluation. Laut Stamp soll so auch eine größere Wertschätzung der Arbeit in den Ausländerbehörden signalisiert werden, die in der Vergangenheit „zu stiefmütterlich“ behandelt worden seien.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort