Kosten sparen Einfache Angestellte sollen in NRW künftig im Polizeigewahrsam eingesetzt werden

Düsseldorf · Kann die Polizei angesichts terroristischer Gefährdungslagen einfache Tätigkeiten delegieren? In NRW soll eine Gesetzesänderung Angestellten den Dienst im Polizeigewahrsam erlauben - das würde Kosten sparen.

 Gewahrsamszellen im Polizeipräsidium in Köln.

Gewahrsamszellen im Polizeipräsidium in Köln.

Foto: dpa/Marius Becker

Im Polizeigewahrsamsdienst auf den nordrhein-westfälischen Wachen sollen künftig auch Bedienstete eingesetzt werden, die keine Vollzugsbeamten sind. Das sieht eine geplante Änderung des Polizeigesetzes vor, die Juristen und Gewerkschafter an diesem Dienstag im Innenausschuss des Düsseldorfer Landtags erörtern.

Über den kostensparenden Personalwechsel zeigt sich in schriftlichen Stellungnahmen der Experten allerdings viel Uneinigkeit. Bedenken gibt es zudem gegen Vorschläge zu Fixierungen im Polizeigewahrsam und gegen die generelle Freigabe für kleine Körperkameras im Streifendienst.

PERSONAL: In vielen anderen Bundesländern sei es schon seit langem zulässig, auch „Nicht-Beamte“ auf Polizeiwachen einzusetzen, argumentiert die schwarz-gelbe Regierung in ihrem Gesetzentwurf. Auch in NRW sollten künftig Regierungsangestellte - unter Aufsicht von Polizeibeamten - für nicht hoheitliche Aufgaben eingesetzt werden dürfen.

Anders als in anderen Ländern werde hier aber kein eigenständiges Berufsbild einer Hilfs- oder Wachpolizei eingeführt. Ziel sei es, den Beamten angesichts neuer Herausforderungen, wie etwa Terrorlagen, den Rücken für Wichtigeres frei zu halten. Trotz der erhöhten jährlichen Neueinstellungen bleibe die Personalsituation unbefriedigend.

GEWERKSCHAFTSKRITIK: Die Fachwelt beurteilt den Plan höchst kontrovers. Nicht einmal die Gewerkschaften sind sich hier einig. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht „erhebliche Grundrechtseingriffe“. „Der Einsatz von Angestellten bei der Verkehrsüberwachung von Geschwindigkeitsmessungen hat eine andere Qualität als die Überwachung von Gefangenen“, warnt die GdP.

Dagegen begrüßt die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) die Entlastung und sieht durchaus Einsatzmöglichkeiten jenseits hoheitlicher Tätigkeiten, etwa wenn Gefangene zu Justiz- oder Arztterminen vorgeführt werden müssen oder bei Kontrollen und der Dokumentation.

JURISTENSTREIT: Auch die juristischen Sachverständigen liegen in ihren Einschätzungen weit auseinander. Der Polizeiwissenschaftler Martin Klein von der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Münster sieht unproblematische Einsatzmöglichkeiten für Tarifbeschäftigte bei der Überwachung fixierter Personen, bei der Verpflegung, im Schriftverkehr und bei Kontrollaufgaben.

Dagegen äußert der Münchner Richter Markus Löffelmann verfassungsrechtliche Bedenken. Zudem gebe es im Polizeigewahrsam „ein hohes Eskalations- und Konfliktpotenzial“, das besondere Sachkunde erfordere. Kostenersparnisse seien keine hinreichende Legitimation für die Übertragung sensibler staatlicher Aufgaben.

FIXIERUNGEN: Mit den Änderungen soll auch eine gesetzliche Grundlage für Fixierungen im Polizeigewahrsam geschaffen werden. Das wird von den Experten zwar überwiegend begrüßt, allerdings wird Präzisierungsbedarf reklamiert. Deutliche Beschränkungen von Fesselungen seien verfassungsrechtlich erforderlich, unterstreicht der Rechtswissenschaftler Clemens Arzt von der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht.

Während die DPolG ärztliche Begutachtungen bei Fixierungen für ebenso unabdingbar hält wie den Richtervorbehalt, ist die GdP gegen eine obligatorische ärztliche Stellungnahme. In der Regel sei bei solchen Maßnahmen wegen erheblicher Selbst- oder Fremdgefährdung „Gefahr im Verzuge“, argumentiert die Gewerkschaft. „Von daher wird es in der Realität schwer werden, die ärztliche Stellungnahme vor der Fixierung einzuholen.“

KAMERAS: Die ursprünglich bis Jahresende befristete Datenerhebung über kleine Körperkameras (Bodycams) an Streifenbeamten soll aufgehoben werden. Es gebe keinen Anlass, den dauerhaften Einsatz von Bodycams infrage zu stellen, argumentiert die Regierung in ihrem Gesetzentwurf. Schließlich habe die Gewalt gegen Polizeibeamte in NRW „ein besorgniserregendes Ausmaß erreicht“. Allein von 2017 auf 2018 sei die Zahl solcher Delikte um über drei Prozent auf 9308 gewachsen.

Während die Experten die Freigabe der Datenerhebung über Bodycams im Grundsatz begrüßen und die meisten darin eine vorbeugende Wirkung gegen Übergriffe sehen, äußert sich der Berliner Rechtsprofessor Arzt skeptisch: „Eine eindeutig deeskalierende Wirkung konnte nicht nachgewiesen werden.“ Außerdem fordert er, die Nutzung der gespeicherten Daten in der Regel auf einen Tag zu beschränken. Die DPolG möchte hingegen weitergehen und fordert, zum Schutz der Polizisten Elektroschocker einzuführen.

(dpa)
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