E-Tretroller im Test So fahren sich Deutschlands erste E-Scooter in Herne

Herne · Mit Sondergenehmigung sind seit dieser Woche die ersten 50 E-Tretroller in der NRW-Stadt unterwegs, zehn Tage vor der deutschlandweiten Zulassung. Ein Selbstversuch.

 Redakteurin Juliane Kinast testet einen E-Scooter.

Redakteurin Juliane Kinast testet einen E-Scooter.

Foto: WZ

Ganz schlau muss man nicht sein, um mit Deutschlands ersten E-Tretrollern in Herne zu fahren. Auf der Bremse steht ein rotes Schild “Bremse”, auf dem Schalter fürs Gas die Anleitung: “ Treten & Gas - Kick & Go”. Das Anfahren funktioniert wie bei jedem Kinderroller: draufstellen, mit dem Fuß anschubsen. Drückt der rechte Daumen dann allerdings den Gas-Schalter herunter, zieht der Scooter so richtig an. Lautlos, aber zackig beschleunigt er auf seine 20 km/h Höchstgeschwindigkeit.

Seit dieser Woche sind in Herne im Ruhrgebiet die ersten 50 Scooter im Einsatz. Sie fahren mit einer Sondergenehmigung, denn die bundesweit gültige Verordnung, die das Fahrzeug im Straßenverkehr zulässt, tritt erst zum 15. Juni in Kraft. Dann dürfte sich der E-Tretroller rasch in NRW verbreiten.

Einstweilen ist es in Herne gar nicht so einfach, ein Gefährt aufzutreiben. Am ersten Anlaufpunkt, dem Gysenbergpark - laut örtlicher Presse ein Standort der neuen Flotte -, klappt es nicht: kein Roller zu sehen. Also erst mal schauen, wo es denn die Ausleih-App gibt. Auch diese Suche ist zunächst mit dem Namen der Berliner Firma Circ nicht von Erfolg gekrönt. Erst der frühere Name “Flash” führt zu einem Treffer im App-Store. Der Anwendung rasch die Kreditkartendaten verraten, Zugriff auf Kamera und Standort gewährt - für Datenschutz-Freaks ist das nichts - und sie bestätigt die Vermutung: “Kein Roller in der Nähe”.

Die kleinen Stecknadeln auf der Hernekarte im Display stecken allesamt in der City - und tatsächlich stehen vor dem Rathaus am Friedrich-Ebert-Platz fünf der Scooter gleich neben dem Eingangsportal. In der Mitte des Lenkers prangt ein QR-Code, den die App scannt. Der Roller macht ein leises Klingelgeräusch und eine Reihe blauer Lämpchen unter dem QR-Code springt an. Die App verkündet zugleich die Abbuchung des ersten Euro für die Entsperrung und des ersten Cents für die laufende Mietdauer - 15 Cent pro Minute kostet die abgasfreie Tour durch die Herner Innenstadt.

Neben einem Mindestalter von 18 Jahren und dem Besitz einer Kreditkarte gibt es keinerlei Voraussetzungen für die Nutzung der neuen E-Tretroller. Es wird aber rasch klar: Ohne ein bisschen Körperbeherrschung und die nötige Fitness, um im Ernstfall auch in Bewegung mal abspringen zu können, empfiehlt sich der Scooter nicht. Zumal ein Helm selbst mitzubringen wäre - am Fahrzeug ist keiner. Und wenn der Elektroantrieb das erste Mal Gas gibt und der Roller rasant auf den Bordstein zuhält, kann es einem schon ein bisschen mulmig werden.

Das Terrain am Herner Rathaus offenbart schonungslos die große Schwäche des modernen Fortbewegungsmittels: Auf Kopfsteinpflaster rappelt es so heftig, dass die Sicht getrübt wird und es in den Ohren kitzelt. Die Blicke der Passanten sind den ersten Scooterfahrern in diesen Tagen sicher. “Das war eine ziemliche Diskussion hier”, erinnert sich ein junger Mann an die Vorgeschichte in der Pionierstadt. Ob er mal probieren möchte? “Och nö, danke.”

Aber tatsächlich steigt gerade ein zweiter Mutiger auf einen Roller vor dem Rathaus. Schicker Anzug, Kladde unterm Arm. Es ist Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD), der am Mittwoch den Startschuss für die Scooter in seiner Stadt gab. “Na sicher!” nutze er die Roller jetzt auch selbst, er habe einen Termin bloß einen guten Kilometer entfernt. Für diese “Nahmobilität” sei der Roller ideal. Und die Neugier sei auch bei den Bürgern geweckt: “Am ersten Tag wurden sie schon fleißig genutzt”, hat Dudda von seinem Büro aus beobachtet. “Das wird sich durchsetzen.”

Allein der Berliner Anbieter Circ sucht schon “City Manager” für elf weitere Städte in NRW, andere Firmen drängen ebenfalls auf den Markt, der sich ab Mitte des Monats auftut. Köln und Düsseldorf dürften zu den nächsten Städten gehören, auf deren Straßen und Radwegen die Scooter herumflitzen. Den Nutzern sei mit auf ihren emissionsfreien Weg gegeben: Auf dem glatten Asphalt der Straße kann er ein Vergnügen sein, auf gepflasterten Radwegen eher holprig. Auf die Frage, ob sie mit dem Arm vor dem Abbiegen Zeichen geben sollte wie beim Fahrradfahren oder ob sie das vom Roller hauen könnte, hat die Testerin nach ihrer ersten Fahrt keine Antwort gefunden. Aber die dauerte auch nur zwölf Minuten und 34 Sekunden, führte über eine Distanz von 1,32 Kilometern, sagt die App, nachdem sich der Roller wieder mit leisem Klingeln verabschiedet hat - und sie kostete 2,89 Euro. Billig ist der Spaß nicht. Aber doch ein Spaß, wenn man den Dreh einmal raus hat.

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