Offener Brief von Friedhelm Bursian Not der Sportvereine - nicht nur durch Corona

Friedhelm Bursian macht sich Sorgen über die Zukunft der Sportvereine. Dennoch schiebt er nicht alles auf Corona.

 Friedhelm Bursian ist ehrenamtlicher Geschäftsführer des SSV Germania.

Friedhelm Bursian ist ehrenamtlicher Geschäftsführer des SSV Germania.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Die Corona-Pandemie macht seit März diesen Jahres vor keinem Teil der Bevölkerung halt. Mit Unterbrechung in den Sommermonaten sind die 18 000 Vereine mit ihren fünf Millionen organisierten Mitgliedern in NRW, durch behördlich geschlossene Sportanlagen, in einer außergewöhnlichen Situation. Mit jedem Tag des „Stillstands“ entfernen sich die Mitglieder mehr und die Vereine geraten aus dem Blickfeld.

Ja, auch unser Verein hat Mitglieder verloren und durch die Coronakrise wird sich das noch einmal verstärken.

Es ist aber zu einfach, dies nur auf die aktuelle Situation zu schieben und nach finanzieller Unterstützung zu rufen. Die Gründe liegen seit Jahren in den Strukturen der Vereine und den Veränderungen in der Bevölkerung. Der Wandel in einer „Ich-bezogenen“ Gesellschaft, sinkende Mitgliederzahlen, ehrenamtliche Mitarbeiter wenden sich ab, eine überbordende Bürokratie sowie zunehmend notwendige Kompetenzen und Qualifikationen, die Vereinsführungen zur Bewältigung ihrer Aufgaben mitbringen müssen, tun ein übriges. Es genügt nicht mehr, die Vereinsgeschäfte abends nach Feierabend und am Wochenende zu erledigen, telefonische und persönliche Erreichbarkeit am Tag, schnelle Beantwortung von Anfragen und Präsenz in und auf Sportanlagen seien notwendig.

Wer stellt sich heute noch dreimal die Woche als Trainer in eine Halle oder Sportplatz, am Wochenende an den Grill am Fußballplatz und fährt die Jugendmannschaft mit dem Privat-Pkw oder bestenfalls im Vereinsbus zum Auswärtsspiel. Viele Menschen können und wollen das nicht mehr.

Vereine benötigen „Leitwölfe“ und „Rädelsführer“ und keine Personen, die in Versammlungen, soweit sie überhaupt noch teilnehmen, bei der Frage nach Mitarbeit die Arme verschränken und verschämt auf den Boden schauen. Wäre das nicht der richtige Zeitpunkt zu fragen, wo bitte ist das Ende der Schlange, in der ich mich anstellen kann. Somit bleiben dann die immer gleichen „nützlichen Idioten“ übrig. Vereine sind und bleiben der soziale Kitt in der Gesellschaft, die zweite Familie und die Plattform für den sozialen Austausch über Generationen und Sportarten hinweg. Viele Mitglieder werden den Wert des Vereins wieder spüren, wenn er plötzlich, wie jetzt in der Coronakrise, nicht mehr da ist. Die Pandemie wird aber irgendwann vorbei sein und etwas Gutes bleibt zurück. Das „Wir-Gefühl“ und die Solidarität werden gestärkt.

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