Unternehmen stellt die schädliche Produktion bis Jahresende ein und zahlt Entschädigung Nächstebrecker sprechen mit Coroplast über PCB-Belastung

Nächstebreck. · Das Unternehmen erklärte die Produktionsprozesse und will diese zum Jahresende umstellen. Außerdem kündigte ein Vertreter Entschädigungen für Anwohner an.

 Gabriele und Axel Ermisch, Christian Schuster und Kerstin Mader erzählten WZ-Autor Friedemann Bräuer von ihren Sorgen wegen der PCB-Belastung.

Gabriele und Axel Ermisch, Christian Schuster und Kerstin Mader erzählten WZ-Autor Friedemann Bräuer von ihren Sorgen wegen der PCB-Belastung.

Foto: Fischer, Andreas

Wer im Umkreis des Nächstbrecker Unternehmens Coroplast Gemüse, Kräuter und Beerenobst im eigenen Garten gezogen hatte, der war erst mal geschockt, als seitens des Landesumweltamtes bekannt wurde, dass die auf heimischer Scholle gepflanzten Gewächse PCB („Polychlorierte Biphenyle“ – giftige und krebsauslösende organische Chlorverbindungen) enthalten würden. Vom Verzehr wurde abgeraten, wobei sich die Empfehlung lediglich auf Blattgemüse wie Feldsalat, Pflücksalat, Rucola, Mangold oder Kräuter bezog. Kohl, Karotten, Kartoffeln oder Früchte seien unbedenklich, hieß es. Doch das trug nicht zur Beruhigung der besorgten Bevölkerung bei, wie die WZ in Gesprächen mit betroffenen Nächstebreckern feststellen konnte.

„Bei mir im Garten reifen jetzt Erdbeeren, Tomaten und Blattsalate. Soll ich das alles entsorgen?“, fragt sich Christian Schuster, der im Kattenbreuken wohnt und vor allem an seine beiden Kinder (neun Jahre und sechs Monate) denkt. „Die Verantwortung für dieses Risiko kann mir niemand abnehmen“, stellt Schuster fest und hat noch weitere Bedenken. „Wenn Gemüse betroffen ist, was ist dann mit Gras. Ist das eventuell auch so belastet, dass ich meine Kinder nicht mehr im Garten spielen lassen kann?“

Ähnlich sieht es Kerstin Mader, die an der Wittener Straße wohnt, und ihre Zweifel hat, was die angeblich unbedenklich verzehrbaren Gemüse- und Kräutersorten angeht. „Meine Nachbarn trauen sich nicht, überhaupt etwas aus dem eigenen Garten zu essen. Und auch bei mir besteht ein ungutes Gefühl, auch wenn ich an meinen Sohn denke“, zeigt sie sich sichtlich verunsichert.

Gabriele und Axel Ermisch wohnen seit 1981 in der Hans-Wagner-Straße, sind begeisterte Hobby-Gärtner und hegen und pflegen im eigenen Garten Erdbeeren, Brombeeren, Himbeeren, Wildkräuter, Bärlauch und Petersilie. „Unsere Tochter wohnt zwei Häuser weiter und hat alles weggeworfen“, berichtet Gabriele Ermisch, ist sich aber mit ihrem Mann noch nicht sicher, ob sie sich von dem, was sie beim Wachsen beobachtet haben, so einfach trennen sollen. „Das ist ja auch eine emotionale Sache, schließlich verzehren wir die Gewächse aus unserem Garten schon seit Jahrzehnten“, sagt sie, während Ehemann Axel einen anderen Aspekt ins Spiel bringt: „So eine PCB-Belastung bedeutet für uns Eigentümer auch einen Wertverlust.“

Anwohner freuen sich über angekündigte Entschädigung

All diese Bedenken und Beschwerden hat Hermann Josef Richter, Vorsitzender des Bürgervereins in Nächstebreck, am Donnerstagabend in einem Gespräch mit der Firmenleitung von Coroplast vorgebracht und informierte die besorgten Bürger unmittelbar danach in der „Neuen Welt“ in Löhrerlen.

„Coroplast räumt ein, dass die erste Information der betroffenen Bürger missverständlich war“, sagt Richter und weist darauf hin, dass die PCB-Belastung in Werksnähe nicht wie ursprünglich publiziert, einen Richtwert von acht, sondern lediglich von 4,6 aufweise.

Coroplast habe zugesichert, dass die PCB-erzeugende Produktion bis zum Jahresende eingestellt werde. Ein sofortiger Produktionsstopp hätte nicht nur Vertragsstrafen gegenüber den belieferten Automobilherstellern, sondern auch Entlassungen zur Folge“, berichtete Hermann Josef Richter und betonte, dass das Nächstebrecker Unternehmen nicht abwarte, bis ein neues Umweltgesetz die praktizierte Produktionsform verbiete, sondern sie schon früher einstelle.

Großen Anklang bei den Zuhörern fand dann die Zusicherung von Coroplast, den in Werksnähe wohnenden etwa 500 Familien einen freiwilligen Fonds von 50 000 Euro als Entschädigung zur Verfügung zu stellen. „An die Haushalte gehen in Kürze Fragebögen heraus, in denen jeder sein materiellen Verluste und Ansprüche eintragen kann“, berichtete der Vorsitzende des Bürgervereins.

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