Analyse Muss Forschung nützlich sein? Das sagt die Rektorin der Uni Düsseldorf

Düsseldorf · Wie weit soll die Freiheit gehen bei einer in großen Teilen steuerfinanzierten Forschung? Aus Berlin werden die Töne fordernder. Die Düsseldorfer Uni-Rektorin hält dagegen.

 Auf Distanz zu Berlin: Anja Steinbeck, Rektorin der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität, bei ihrer Rede auf dem Neujahrsempfang.

Auf Distanz zu Berlin: Anja Steinbeck, Rektorin der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität, bei ihrer Rede auf dem Neujahrsempfang.

Foto: Wilfried Meyer/HHU/Wilfried Meyer

Das Grundgesetz formuliert es in Artikel 5 knapp und eindeutig: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ Doch wie weit soll die Freiheit gehen bei einer in großen Teilen steuerfinanzierten Forschung? Seit Anja Karli­czek im März 2018 Bundesministerin für Bildung und Forschung wurde, sind die Töne aus Berlin fordernder geworden.

Dem „Spektrum der Wissenschaft“ sagte die Ministerin drei Monate nach ihrem Amtsantritt: „Vielen in der Wissenschaft ist gar nicht klar, dass es Leute gibt, für die es eben nicht so selbstverständlich ist, dass wir die Wissenschaft in einem solchen Umfang finanzieren. Die Begriffe wie Wissenschaftsfreiheit nicht als so zentral erachten oder sie sogar kritisch sehen.“ Und in der „Zeit“ formulierte sie die Erwartung, „dass die Wissenschaft sich besser erklärt. Sie muss raus aus ihrem Kämmerchen und sagen: Warum machen wir diese Art von Forschung? Wozu nützt sie?“

Unterstützung erhielt Karliczek aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Nach dem Beschluss der Bundesregierung zur „Hightech-Strategie 2025“ erklärte Albert Rupprecht, bildungs- und forschungspolitischer Sprecher der Fraktion: „Mit der Strategie verlangen wir einen Kulturwandel in Wissenschaft und Forschung.“ Konsequente Anwendungsorientierung und Transfer zum Nutzen von Wirtschaft und Gesellschaft müssten „die bestimmende Geschäftsgrundlage von Forschung“ werden.

In weiten Kreisen der Wissenschaft ist das als Angriff auf die Grundlagenforschung und die akademische Freiheit verstanden worden. Und die Skepsis gegen die Forschungsministerin hat sich seither nicht gelegt. Auf dem Neujahrsempfang der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf widersprach die Rektorin Anja Steinbeck deutlich: „Die Forschungsfreiheit garantiert Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen die Freiheit, sich Ziele zu setzen, die einer Öffentlichkeit oder privaten Geldgebern auf den ersten Blick nicht nützlich erscheinen.“

Wert der Grundlagenforschung erweist sich erst mit der Zeit

Auch die Frage, ob sich diese Gesellschaft zweckfreie Suche nach Erkenntnis noch erlauben könne angesichts der großen Zukunftsherausforderungen, beantwortete die Rektorin eindeutig: „Ja, sie kann, sie muss und sie tut gut daran.“ Es sei unmöglich, im Vorhinein zu entscheiden, welche Theorie, welcher methodische Ansatz und welche Forschungsfrage die richtige sei, um den nächsten Durchbruch zu erzielen. Vieles erweise sich erst mit der Zeit. „Grundlagenforschung hat also einen Nutzen, auch wenn sie kein unmittelbares praktisches Ziel hat.“

Auch Steinbeck bestreitet nicht, dass Wissenschaft gesellschaftliche Verantwortung trägt. Anwendbarkeit von Forschungsergebnissen sei ein berechtigtes Anliegen an die Wissenschaft. „Eine Grenze ist aber überschritten, wenn die Anwendbarkeit zum leitenden Motiv wird und wenn hier ein impliziter Vorwurf ertönt.“

Die Beziehung zwischen Wissenschaft und Forschungsministerin sei „weiterhin zerbrechlich“. Steinbeck wählte einen Vergleich aus der Kunst: „Anja Karliczek möchte, um möglichst schnell vorzeigbare Gemälde präsentieren zu können, den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen ein Ausmalbuch in die Hand drücken. Dabei mögen schöne Bilder entstehen, aber Kunst entsteht dabei nicht.“

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