Welt-Aids-Tag: Gegen die Verharmlosung

Die Krankheit Aids zeigt sich durch neue Medikamente weniger dramatisch – das macht aber die Aufklärungsarbeit schwieriger.

Mönchengladbach. 1993 lief Tom Hanks im Film Philadelphia als Andrew Beckett schwer von Aids gezeichnet durch die Straßen von Philadelphia. Die Krankheit und das heimtückische Virus HIV hatten quasi ein Gesicht bekommen, die dramatischen Bilder machten Aufklärungsarbeit zum Thema leicht.

"Das ist heute nicht mehr so einfach", sagt André Beermann, Sozialarbeiter bei der Aidshilfe Mönchengladbach/ Rheydt. Dadurch, dass Aids und sein Erreger HIV mittlerweile viel besser behandelbar sind als 1993, sei es viel schwieriger zu vermitteln, welche Dramatik immer noch dahinter stecke, HIV-positiv zu sein.

"Vor 20 Jahren sind die Menschen, bei denen die Krankheit Aids ausbrach, gestorben. Das ist heute nicht mehr so", sagt Beermann. Und das, so gut es für die Menschen sei, mache Aufklärung eben schwierig.

"Es gibt da einen Trend zu Verharmlosung", sagt der Sozialarbeiter - besonders bei jungen Menschen. Aids ist aber immer noch auf lange Sicht tödlich, eine Infektion mit HIV trotz aller neu entwickelten Medikamente nicht heilbar.

"HIV und Aids immer wieder ins Bewusstsein zurückzuholen ist immer noch eine bittere Notwendigkeit angesichts der Zahl der Neuinfektionen", sagt auch die Leiterin der Aidshilfe, Renate Hesse-Horst.

Derzeit infizieren sich in jedem Jahr rund 3000 Menschen in Deutschland neu mit dem Virus (Ende der 90er waren es rund 2000 Menschen pro Jahr). In NRW gab es in diesem Jahr 485 Neuinfizierte, in Mönchengladbach zwölf.

Das die Zahlen wieder angestiegen sind, führen die Experten unter anderem darauf zurück, dass das Thema eben verharmlost werde. Es gebe ja Medikamente und man müsse nicht mehr an Aids sterben, denken viele. Gefährlich sei dabei auch, dass aus diesem Grund viele Infektionen unerkannt blieben, sagt Hesse-Horst.

Gefährlich sei das zum einen, weil eine unerkannte Infektion eine rechtzeitige Behandlung verhindere. "Gefährlich aber auch, weil das Nicht-Wissen um den eigenen positiven Status ein Risiko für mögliche Sexual-Partner bedeutet, wenn keine Vorkehrung zum Schutz getroffen wird." Kondome, sagt sie, böten da nach wie vor den besten Schutz und sollten ganz selbstverständlich verwendet werden.

Auf der anderen Seite bedeuten die besseren Perspektiven für HIV-Infizierte aber auch eine andere Arbeit vieler Organisationen, die sich um Infizierte und Erkrankte kümmern.

Wie etwa beim Verein Oase in Hermges, der eine kleine Wohngemeinschaft von Menschen betreut, die von HIV oder Aids betroffen sind. "Bei uns geht es mittlerweile nicht mehr ums Sterben, sondern um das Leben", erklärt Ralf Döppeler, Leiter der Wohngemeinschaft.

Der Ursprungsgedanke der Wohngemeinschaft mit vier Plätzen sei es gewesen, ein Zuhause für die Betroffenen zu bieten, wo sie auch sterben konnten. "Seit der Gründung 1992 sind hier auch viele gestorben", berichtet Döppeler.

Mittlerweile jedoch helfe man den Betroffenen, ein eigenständiges Leben nach der Diagnose wieder aufzubauen, die Bewohner seinen nur vorübergehend in Hermges und zögen dann wieder in eigene Wohnungen.

Dennoch, die Gleichgültigkeit zum Thema HIV und Aids vieler junger Menschen, findet auch Döppeler erschreckend und wünscht sich ein Umdenken.

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