Theater: Hauch Hoffnung

Die CDU in Gladbach lenkt bei der Etat-Frage ein. Doch die Zukunft der Vereinigten Bühnen steht in den Sternen.

Mönchengladbach. Langsam rudert Wolfgang Dreßen zurück. Der kulturpolitische Sprecher der Gladbacher CDU vermeidet jedes klare Eingeständnis: Was er in der Sondersitzung des Theaterkuratoriums zu sagen hat, steckt zwischen den Zeilen.

"Die Lösung mit dem Darlehen scheint uns sehr schwierig zu sein", sagt Dreßen. Nach Wochen dramatischer Zuspitzung gibt es sie also doch noch, die Hoffnung für das Gemeinschaftstheater.

Dass die Gladbacher CDU einlenkt, das fehlende Geld (485000 Euro) für die laufende Spielzeit bereitstellen will, deuten andere in Dreßens Worte.

Parteifreund Hans-Peter Kreuzberg aus Krefeld sagt: "Die CDU Mönchengladbach hat diesen Schritt zum größten Teil vollzogen." Dreßen widerspricht nicht.

SPD-Ratsherr Ulrich Elsen sagt: "Wolfgang Dreßen muss eine unsinnige Entscheidung so zurücknehmen, dass er sein Gesicht wahrt." Dreßen widerspricht erneut nicht. Das Theater wird das fehlende Geld wohl bekommen.

Lediglich die FDP hält in der Sitzung an der Darlehens-Idee fest, fühlt sich "verunglimpft". Da platzt Elsen der Kragen: "Sie machen Wahlkampf auf den Knochen von 450 Mitarbeitern und dem Image unserer Stadt. Wir stehen da als Lachnummer."

Diese Gefahr hat die CDU mit ihrer Kehrtwende wohl vorerst ausgeräumt. Die Zahlungsunfähigkeit der Bühnen wäre vorerst abgewendet.

Die entscheidende Frage wird sein, wie es danach mit dem Theater weitergeht. "Wir brauchen ein Konzept, das hilft, solche Situationen zu vermeiden", sagt Kreuzberg.

Doch auch im Etat der neuen Spielzeit, in dem eine weitere Lücke klafft, gibt es laut Pesel "keine Fettpolster, die man absaugen kann". Er unterbreitet einen Vorschlag, der ohne Etat-Erhöhung auskommt, jedoch tiefe künstlerische Einschnitte vorsieht.

Die ersten Ensemble-Mitglieder haben Konsequenzen gezogen: Tenor Hans-Jürgen Schöpflin und Schauspieler Stefan Diekmann werden das Haus verlassen.

FDP-Fraktionschef Anno Jansen-Winkeln sagt, dass auch die Liberalen nun bereit seien, für den laufenden Theater-Haushalt die erforderlichen 485000 als Zuschuss und nicht als Darlehen zu zahlen.

Die Liberalen wollen dafür sorgen, dass Gladbach künftig "rund elf Millionen Euro" jährlich ans Theater überweist. Die Summe soll für Jahre eingefroren werden. Entscheiden wird der Stadtrat am 4. Februar.

Der Spuk ist vorbei. Die absurde Debatte, die das Theater in den vergangenen Monaten heimgesucht hat, scheint durch plötzlich eingekehrte Vernunft beendet. Zur Etat-Erhöhung für die laufende Spielzeit gab es ohnehin nie eine Alternative - außer jener undenkbaren, dass Politiker in einem Wahljahr das Theater mit Karacho vor die Wand fahren. Und selbst dann hätten die Städte die Zeche bezahlt.

Was bleibt, sind drei Monate vergeudete Zeit. Die Zukunftsfragen sind nicht nur unbeantwortet, sie wurden bislang nicht einmal gestellt: Wie soll es mit dem Theater weitergehen? Und vor allem - mit welcher Art von Theater? Jens Pesel hat gestern einen Vorschlag unterbreitet, der in den Ohren von Theaterleuten und Publikum wie ein Horrorszenario klingen muss: nur vier Neuinszenierungen im ganzen Jahr, sonst aufgewärmte Kost - ein künstlerischer Offenbarungseid. Nur Klaus Kokol (SPD) bemerkte das, alle anderen Politiker erblickten freudig erregt eine Lösung am Horizont. Es ist keine, es ist ein Tod auf Raten.

Er wird spätestens dann sichtbar, wenn der neue Intendant ohne Geld und ohne einen Grundstock laufender Stücke ein Haus übernehmen soll, dem längst die Künstler davonlaufen.

Die Politik ist noch keinen Schritt weiter. Sie muss dringend aufhören, bloß Geld zu zählen, und anfangen, über Inhalte zu reden - bevor es keine mehr gibt.

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