Kirchen in NRW St. Peter Waldhausen in Mönchengladbach: Mit eigener Kraft dem Himmel ein bisschen näher

Die ehemalige katholische Pfarrkirche St. Peter Waldhausen in Mönchengladbach ist Deutschlands einzige Kletterkirche. Doch ihre Historie ist allgegenwärtig.

Mönchengladbach. Hochkonzentriert greift Simone Laube die nächsten beiden Griffe auf ihrer gelben Route, blitzschnell finden ihre Füße Halt und schon geht es weiter. Immer höher, immer näher kommt die 44-Jährige an die Decke heran, deren mit goldener Farbe abgesetzte schmale Balken in 13 Metern Höhe nur vage erahnen lassen, dass die Mönchengladbacherin in keiner normalen Kletterhalle ihren Weg die Wände hoch sucht. Dafür blitzen an anderen Stellen geschichtsträchtige Details wie etwa die in Blau, Rot und Lila strahlenden Fenster durch.

Sichtbare Zeugen der langjährigen Kirchengeschichte von St. Peter Waldhausen in eben diesem Stadtteil von Mönchengladbach, nur ein paar Meter vom heutzutage unterirdisch verlaufenden Gladbach entfernt, der einst der von Mönchen gegründeten Stadt den Namen geben sollte. 2007 wurde in der katholischen Kirche der letzte Gottesdienst gefeiert. Grund war der im ganzen Bistum Aachen drückende Sparzwang. Nach einer Fusion mit der Gemeinde St. Anna im benachbarten Windberg sollte aus Kostengründen nur noch eines der Gotteshäuser genutzt werden.

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Zwei Jahre lang stand der Sakralbau danach leer. Bis Simone Laube, selbst seit zehn Jahren Kletterfan, eine Idee hatte, der viele zunächst sehr einseitige Telefonate folgten. Sie und ihre Sportkollegen hatten schon lange die Hoffnung gehegt, irgendwann mal nicht mehr zu Kletterhallen in anderen Städten fahren zu müssen, um zu trainieren. Als sie von der ungenutzten Kirche hörte, kam der Geistesblitz. Sie habe ihren Freund aus Kindertagen und Kletterkollegen Klaus Fasbender angerufen und ihm von ihrer Idee erzählt. „Danach war Totenstille.“

Heute ist Fasbender ihr Geschäftspartner. Die beiden gaben ihre Jobs — er bei einem Versorger, sie als Zahntechnikerin — auf. „Entweder ganz oder gar nicht“, sagt Simone Laube zwar heute fröhlich. Aber es sollte von der Idee bis zur Umwidmung beziehungsweise Eröffnung 18 Monate dauern und viele weitere totenstille Gesprächspausen bei ihren Anrufen geben. Kirchenvorstand und andere Gemeinde-Institutionen, Denkmalpfleger und das Bistum Aachen mussten überzeugt werden. Mit allen Statik-, Denkmalschutz- und anderen Fragen ging es mit der ersten — und immer noch einzigen — deutschen Kletterkirche fünf Monate später als geplant an den Start. Mit einem zwei Jahre später eröffneten ähnlichen Projekt in Amsterdam ist St. Peter weltweit einzigartig.

Einer der wichtigsten Punkte beim Umbau: „Alles muss rückbaubar sein“, erzählt Simone Laube, die das Gebäude von der Gemeinde pachtet und lieber nicht über die Gesamtinvestitionssumme spricht. Nur so viel verrät sie: „Allein die Polycarbonplatten, die es möglich machen, dass man noch immer durch zwei Kirchenfenster im Kletterbereich schauen kann, haben pro Stück 5000 Euro gekostet.“

Nur wer die schwersten beiden der insgesamt 160 Routen an den Kletterwänden meistert, kann das Mosaik des Heiligen Petrus sehen, das viele Jahre die Mauer hinter dem Altar für alle sichtbar zierte. Heute können die Sportler, die es bis unter die Decke schaffen, durch ein in die 21 Millimeter dicken Multiplexplatten eingebautes Fenster einen Blick auf den Heiligen Petrus werfen, ein Werk von Anton Wendling, deutscher Maler und Schöpfer von expressionistischen Kirchenfenstern (1891-1965). Irgendwo hinter der Kletterwand, zu Füßen der 8,50 Meter großen Aposteldarstellung, befindet sich auch der Grundstein des Sakralbaus, der am 3. Juli 1932 gelegt wurde.

Was den Klettersport angeht, schließt sich fast ein bisschen ein Kreis zum Architekten, der das Gotteshaus für die Rektoratsgemeinde Waldhausen entwarf, die von 1924 bis zur Einweihung von St. Peter 1933 eine Notkirche in einem Saal an der Nahe gelegenen Roermonder Straße besessen hatte. Der in Österreich geborene Clemens Holzmeister (1886-1983) entwarf die Kirche im Mönchengladbacher Stadtteil Waldhausen. Der Mann, der bei seiner Hochzeit mit seiner ersten Frau den filmgewordenen Bergsteiger — zugegebenermaßen nicht Kletterer — ausgebootet haben soll.

Der preisgekrönte Schöpfer unzähliger Profan- und Sakralbauten in Österreich, Deutschland und der Türkei legte St. Peter achsensymmetrisch an. Die dreischiffige Basilika hat einen fast quadratischen Grundriss. Bei der Gestaltung ging Holzmeister fast ausschließlich kubisch vor.

Für diejenigen, die heute die in den Ecktürmen angeordneten schweren Bronzetüren öffnen, geht es noch immer vorbei an kleinen Weihwasserbecken und dem großen Taufbecken in der zwischen den Portalen in einem Turm liegenden ehemaligen Taufkapelle. Am alten Handlauf vorbei und ein paar Stufen hinunter, stehen die Besucher dann jedoch nicht vor der üblichen Reihe Kirchenbänke, sondern vor einer Theke. Wobei, Kirchenbänke sind schon noch vorhanden, aber die meisten davon kaum erk sich die Bänke nach der Entweihung der Kirche eigentlichennbar. „Eine Gemeinde wollte abholen, hat es aber nie getan. Und so haben wir mit einigen die Gastro-Ecke gebaut“, erzählt Laube.

Und die Betreiber haben sie zum Beispiel absichtlich asymmetrisch bauen lassen. „Wir haben bei allem darauf geachtet, dass es eben nicht quadratisch, gradlinig ist. Unser Ziel war, so zu bauen, dass es sich klar von der Architektur abhebt, aber gleichzeitig stimmig ist, das war nicht einfach“, sagt Laube. Heute sitzen Trainer, Sportler, aber auch einfach Menschen aus der Gemeinde an den fünf Tischen, treffen sich hier, plaudern, trinken etwas oder ruhen sich aus. „Genau so haben wir uns das immer vorgestellt, dass es auch ein Ort der Begegnung wird“, sagt Laube.

Das war auch in dem Findungsprozess, bei dem es auch Kritiker in der Gemeinde gab, die sich eine sportliche Nutzung der Kirche nicht vorstellen konnten, eines ihrer besten Argumente. Rund 100 Kinder kommen in festen Gruppen zum Klettern und im Schnitt 100 Kindergeburtstage pro Monat werden organisiert. Vier Schulen haben Klettern auf dem Stundenplan stehen. Und auch viele kirchliche Gruppen mit Firmlingen oder Messdienern kämen an die Nicodemstraße.

Immer wieder besuchen auch Menschen die Kirche, um zu sehen, was aus ihr geworden ist. Zuletzt sei es ein Paar gewesen, das hier als eines der ersten geheiratet hatte, und ein Trio von ehemaligen Messdienern, die mal sehen wollten, wie es jetzt aussieht. Simone Laube führt sie dann herum und zeigt die Tafeln mit Bildern und Infos zur Kirchenhistorie, auf denen mit dem Kirchenchor auch ihre Schwiegermutter zu entdecken ist.

Die Betreiberin ist immer noch froh über den Schritt, den sie mit ihrem Geschäftspartner gegangen ist, und hat viele Pläne, zum Beispiel für eine Outdoor-Boulderanlage. „Aber was wir wirklich unterschätzt haben, sind die Energiekosten“, sagt sie, wie es so ihre Art ist, schmunzelnd.

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