Schüler als Schiedsrichter

Jugendliche sollen ihre Altersgenossen künftig selbst in die Schranken weisen.

Mönchengladbach. Der Name ist etwas sperrig. "Schulschiedsstelle". Und selbst Walter Steinhäuser vom Schulamt der Stadt verspricht sich schon mal, wenn er über die Einrichtung spricht, die am Dienstag ihren Betrieb aufgenommen hat.

Sechs Schülerinnen und Schüler weiterführender Schulen der Stadt haben in ihrer Freizeit an einer 40-stündige Fortbildung teilgenommen und bekommen ihre Ernennungsurkunde.

Einmal im Monat werden sie jeweils zu dritt und beraten von einem Sozialarbeiter in der Möwe, der Mönchengladbacher Werkstatt für Erziehungsfragen, ihre Sitzungen abhalten und Fälle verhandeln, die ihnen von den Schulen gemeldet wurden.

"Es geht um Respektlosigkeit, um Mobbing, um Stören im Unterricht, um Gewalt", zählt Mira Ohlendorf auf, die das Projekt am Ministerium in Düsseldorf konzipiert hat und im vergangenen Schuljahr bereits Erfahrungen in zehn der 54 Schulamtsbezirke sammeln konnte.

In diesem Jahr wird das Verfahren in zwölf weiteren - unter anderem in Mönchengladbach - eingeführt, bis 2009 soll es flächendeckend in ganz NRW angewandt werden.

Die gleichaltrigen Schieds- Männer und -frauen bekommen vor der Verhandlung eine Akte mit dem Sachverhalt und einer schriftlichen Einwilligung der betroffenen Schüler. "Die können sich aussuchen, ob sie zur Schiedsstelle gehen wollen oder direkt von der Schule eine Ordnungsmaßnahme ausgesprochen bekommen", sagt Ohlendorf, die selbst Lehrerin im Kreis Siegen ist. Andernfalls würden sie durch einen Verweis, Unterrichtsausschluss oder gar einen Schulverweis bestraft.

Doch auch die Verhandlung vor der Schulschiedsstelle geht nicht unbedingt ohne Strafe ab. "Die können Sanktionen aussprechen", sagt Simone Pesch, Lehrerin in Duisburg, die die Schiedsstellen im Regierungsbezirk Düsseldorf koordiniert.

Sie und ihre Kollegin Ohlendorf geraten fast ins Schwärmen, wenn sie an die von den Jugendlichen ausgedachten Maßnahmen denken. "Zuerst treffen die den Ton besser und kommen besser an ihre Altersgenossen ran", sagt Ohlendorf. Das ist der Grund, warum solche Maßnahmen der Peer-Education (Erziehung durch Gleichaltrige) überhaupt Sinn machen.

Bei einem Schüler, der laufend den Unterricht gestört und gar seinen Lehrer bedroht hatte, kamen sie auf folgende Strafe: "Der musste zur Polizei, sich Informationen über Gewalt besorgen und darüber vor der Klasse und dem betreffenden Lehrer ein Referat halten."

Eine Strafe, die angenommen wurde, die Sinn mache, die theoretisch auch von einem Lehrer hätte ausgesprochen werden können. "Aber es ist ein Unterschied, ob ein Erwachsener seine Regeln durchsetzen will, oder Gleichaltrige klar machen, dass es im Interesse aller ist, wenn sie eingehalten werden", sagt Ohlendorf.

Die Schiedsmänner und -frauen wurden von ihren Schulen vorgeschlagen und vom Ministerium ausgewählt. "Das sind nicht die Streber", sagt Ohlendorf. "Tolle junge Leute, die bereit und fähig sind, soziale Verantwortung zu tragen", sagt Pesch und nickt anerkennend. "Das macht Mut für die kommenden Generationen."

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