Prozess: Polizist gesteht Banküberfall

53-Jähriger wird zum Bankräuber. Die Schulden treiben ihn zu der Tat. Jetzt steht er vor dem Landgericht.

Mönchengladbach. Es dauerte nur neun Sekunden, aber der Sparkassen-Kundin, die gestern vor dem Landgericht aussagte, kam es minutenlang vor. Es war der 21. Juli 2008, ein regnerischer Tag: Ein mit Kappe und Schal maskierter Mann dringt in die Sparkassen-Filiale Hardterbroich ein. Er hält einen Schreckschuss-Revolver in der rechten Hand und fordert die Kassiererin mit den Worten "Geld her! Schnell, schnell, schnell!" zum Griff in die Kasse auf. Die Kundin, die Geld von ihrem Sparbuch abheben wollte, sieht dem Raub mit wackligen Knien zu.

Seit Mittwoch steht der Räuber Anton J. vor dem Landgericht. Das Kuriose an dem Fall: Der 53-Jährige ist Polizist, war zuletzt im Verkehrsdienst tätig. Er hat die Tat bereits gestanden. "Ich weiß nicht, welcher Teufel mich da geritten hat. Ich bekomme den Tag des Überfalls nicht mehr ganz zusammen", sagt J. vor Gericht. Der Vorsitzende Richter Helmut Hinz muss das Geschehen Satz für Satz aus ihm herausfragen.

Anton J. ist um kurz nach 10Uhr unterwegs zum Finanzamt, weil er um Aufschub für seine Kfz-Steuerschulden bitten will. Das Amt droht mit Zwangsstilllegung des Wagens. Auf der Fahrt macht sein Mazda schlapp, er ist überhitzt. J. füllt Wasser nach und geht zum Kofferraum.

Darin findet er andere Kleider, einen Schreckschussrevolver, den er seinem 14-jährigen Sohn abgenommen hat, eine Baseballkappe und den Schal. Er zieht sich um. Es folgt eine wirre Tour durch Mönchengladbach.

Er fährt zum Polizeipräsidium. Im Eingang, den er auch sonst benutzt, findet er das nicht abgeschlossene Rad eines Kollegen. Er dreht damit eine Runde nach Rheydt.

Als er zurückkommt, packt er das Rad in den Kofferraum und fährt Richtung Volksgarten. Er lässt das Auto stehen und radelt wieder eine Runde. Dann kehrt er zurück und holt Revolver, Kappe und einen Leinenbeutel aus dem Wagen. Jetzt geht es mit dem Rad zu der Bank. "Ich kannte diese Filiale, weil wir früher oft bei einem Imbiss gegenüber Pause gemacht hatten."

In der Sparkasse geht es ganz schnell. "Er ist rausgerannt, bevor ich fertig war", sagt die Kassiererin gestern im Zeugenstand. Sie hatte mit den kleinen Scheinen in der Kasse angefangen - die großen waren noch da. Der Polizist flüchtet mit 7170 Euro.

Zurück am Auto zieht er sich um, die Klamotten landen in einem Altkleidercontainer. Dann geht es zu einer anderen Bank. J. überweist hier die fällige Summe ans Finanzamt - etwa 200 Euro. Bevor er nach Hause geht, begleicht er noch 2500 Euro Schulden bei einem Bekannten. Schließlich versteckt er den Rest der Beute im Keller.

Wann genau der Plan in dem Polizisten reifte, zum Bankräuber zu werden, konnte er gestern nicht sagen. Das Motiv ist aber klar. Der Familienvater, der seit 2001 in zweiter Ehe verheiratet ist und vier Kinder hat, verlor irgendwann den Überblick über seine Finanzen.

Schulden für das Haus in sechsstelliger Höhe, Unterhaltszahlungen, Kosten für zwei Pkw, gesperrte Konten - das alles wuchs ihm über den Kopf. Die Zwangsversteigerung des Hauses drohte mehrfach. Das Gehalt reichte hinten und vorne nicht. Seiner Frau verschwieg er das - bis seine Kollegen vor der Tür standen und ihn festnahmen.

Den 53-Jährigen zu entlarven, war nicht schwer. Der Tatort des Fahrrad-Diebstahls und Überwachungsbilder der Bank schränkten den Täterkreis ein. Man habe gleich "so einen Verdacht" gehabt, sagte gestern ein Kriminaloberkommissar als Zeuge. Über den "Flurfunk" habe man ja gewusst, wie es in J.s Privatleben aussähe. Der Prozess wird fortgesetzt.

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