Narren tanzen auch im Sommer

Karneval: Das Tanzcorps der Prinzengarde ist nicht nur während der Session aktiv.

Mönchengladbach. Ein lauer Sommerabend: Man denkt an Eis, Biergarten oder Baggersee, da dringen plötzlich so unerwartete Töne ans Ohr, dass man unwillkürlich glaubt, man habe akustische Halluzinationen. Wer um Himmels willen hört mitten im Sommer Karnevalsmusik, schunkelt zu Viva Colonia?

Das Rätsel löst sich schnell, wenn man die Turnhalle der Peter-Ustinov-Schule betritt: Hier probt das Tanzcorps der Prinzengarde der Stadt Mönchengladbach, und zwar das ganze Jahr. Die ganze Angelegenheit sieht nicht nur akrobatisch und schweißtreibend aus - sie ist es auch. Vor allem die Hebungen erfordern Kraft, Kondition und perfekte Abstimmung der Partner, damit die Tänzerin so scheinbar schwerelos über den Kopf des Partners fliegt und sicher landet. Beim Training können die Tänzer aber wenigstens auf die drei bis vier Kilo schweren Uniformen verzichten, die sie bei ihren Auftritten tragen müssen.

19 Mitglieder hat das Tanzcorps der Prinzengarde, fünf davon sind Männer, die fürs Hochheben der Akteurinnen zuständig sind. "Wir haben uns in den letzten Jahren sehr gewandelt", erklärt Tänzmeisterin Denise Wiessner, die die Choreographie entwickelt. "Wir sind sportlicher geworden." Ihre großen Vorbilder sind die Kölner Tanzgarden, deren Auftritte sie genau studiert.

Warum setzt man sich selbst im Sommer solchen Anstrengungen aus, nimmt während der Session 80 bis 90 Auftritte in Kauf? Die einfache Antwort: Weil es Spaß macht. "Der Zusammenhalt in der Gruppe ist einfach super", meint Denise Wiessner. "Wir unternehmen auch sonst viel zusammen."

Die 18-jährige Jenny kann an diesem Abend aus Krankheitsgründen nicht mittanzen, ist aber zum Zugucken gekommen. Auch sie bestätigt den hohen Spaßfaktor. "Die Karnevalsmusik im Sommer ist gewöhnungsbedürftig, aber man nimmt sie dafür in Kauf", erklärt sie. Yannick ist 13, amtierender Kinderprinz und vom Tanzen fasziniert. Aber er darf nur zusehen, denn die Garde nimmt Tänzer erst mit 16 Jahren auf. Wegen der vielen Abendtermine, wie Denise Wiessner erläutert. Yannick muss also noch drei Jahre warten, aber das schreckt ihn nicht ab. Er ist mit dem Karneval aufgewachsen: seit er vier Jahre alt ist, macht er bei den Neuwerker Jecken mit. Der Karneval kostet ihn viel Zeit. "Wahrend der Session kann man nicht viel anderes machen, aber meine Freunde verstehen das", erklärt er, "sie sind auch alle im Karneval aktiv."

Ob die Lehrer auch alle so verständnisvoll sind? Denn er gibt zu, dass er während der Session nur ab und zu dazu komme, Hausaufgaben zu machen. Jetzt ist er also Tänzer im Wartestand.

Das Tanzcorps probt inzwischen das Marschieren und den Stellungswechsel: die Choreographie im Kopf zu behalten, ist schwierig und erfordert viel Übung.

Nach den Sommerferien geht es an die Feinheiten des Auftritts, aber jetzt hat die Tanzmeisterin ein Einsehen und entlässt ihre Tänzer in den warmen Sommerabend. Erfrischungen sind angesagt.

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