Verein „Zornröschen“ in Mönchengladbach Missbrauchszahlen im Netz steigen

Mönchengladbach. · 224 Beratungen gab es 2018 beim Verein Zornröschen nach Missbrauchsfällen an Kindern. Die Zahl der unbekannten Täter hat sich verdreifacht, weil immer mehr Mädchen und Jungen im Internet „angemacht“ werden.

 Sexueller Missbrauch (Symbolbild).

Sexueller Missbrauch (Symbolbild).

Foto: dpa/Patrick Pleul

Kinder und Jugendlich bewegen sich oft sorglos im Internet. Dabei lauern dort Gefahren. Wenn Täter im Netz nach ihren Opfern suchen, nennt man das Cybergrooming: Verschiedene soziale Netzwerke wie Instagram, Snapchat oder die Chatfunktion von Online-Spielen werden oft von Pädophilen genutzt, um den Kontakt zu Kindern und Jugendlichen herzustellen und um die Opfer zu persönlicheren Kanälen wie WhatsApp oder Skype zu dirigieren. Beim Verein Zornröschen, der an der Eickener Straße eine Anlaufstelle für missbrauchte Mädchen und Jungen ist, kennt man dieses Phänomen. Den Anstieg der unbekannten Täter um das Dreifache führt Zornröschen auch auf Cybergrooming und sexuelle Gewalt in den neuen Medien zurück.

2018 verzeichnete der Verein einen Anstieg der Personen, die Rat und Hilfe suchten, im Vergleich zu 2017 um zehn Prozent auf insgesamt 460. Die Anliegen der Ratsuchenden reichen von einer Beratung bei vermutetem oder nach bekannt gewordenen sexuellen Missbrauch über Fachberatung, Anfragen nach einer psychosozialen Prozessbegleitung bis hin zu fallunabhängigen Kooperations- und Informationsgesprächen. Insgesamt 483 Anliegen gab es 2018, davon 224 nach sexuellem Missbrauch.

In mehr als 21 Prozent der Fälle ist der Täter der eigene Vater des missbrauchten Kindes (37 Väter). Großväter, Stief- und Pflegeväter sowie Lebensgefährten machen insgesamt 18 Prozent aus (32 Männer). Einen Anstieg verzeichnete Zornröschen bei sexuellen Übergriffen unter Jugendlichen, insbesondere hatte sich 2018 der Anteil der Brüder, die ihre Schwestern missbrauchten, im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt (20 Fälle).

Die Menschen, die sich an Zornröschen wenden, stammen aus allen Altersgruppen und haben unterschiedliche Anliegen, weswegen sie Kontakt aufnehmen. „Die gestiegene Anzahl der Anfragen kann der Erweiterung unseres Beratungsangebots für Kinder und Jugendliche mit Handicaps zugeschrieben werden“, sagt Michael Heinemann, einer der vier ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder von Zornröschen.

In den meisten Fällen suchen
die Mütter nach Rat und Hilfe

Unter ihnen sind von sexuellem Missbrauch betroffene Jugendliche und auch missbrauchte Erwachsene; in den meisten Fällen ist es aber die Mutter eines betroffenen Kindes, die sich hilfesuchend an den Verein wendet. Im vorigen Jahr waren es 123 Mütter. Das entspricht knapp 27 Prozent aller Ratsuchenden. Väter, Großeltern und weitere Verwandte zählten weiterhin zu den Personen, die Kontakt zu Zornröschen
aufnahmen.

Mit 249 Anfragen und damit 54 Prozent aller Kontakte waren ratsuchende Fachkräfte vertreten, also Mitarbeiter aus den allgemeinen städtischen sozialen Diensten, Lehrer, Schulsozialarbeiter, Mitarbeiter von Kitas sowie von ambulanten und stationären Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfen. Sie ließen sich von Zornröschen beraten, wenn sie sich um geänderte Verhaltensweisen von Kindern sorgten und Missbrauch als Grund nicht ausschließen konnten. Die Beratungen werden aufgrund der Bedürfnisse und Konstellation der Anfragenden komplexer; Ursachen einer Verhaltensänderung gibt es viele, darunter der Tod eines Angehörigen, finanzielle Probleme, Trennung der Eltern. Es gilt, den Kontext zu erschließen. Hierzu wählt der Verein immer häufiger gleich zwei Berater für die Gespräche aus. Drei Mitarbeiter hat Zornröschen in seinen Reihen: Bennet Bialojahn, Heilpädagoge, Sigrid Mattausch, Sozialpädagogin, und die Sozialwissenschaftlerin Sandra Gottschalk.

„Um sexuellen Missbrauch zu beenden, brauchen Mädchen und Jungen Erwachsene, die ihre Signale verstehen, die ihnen glauben und sie schützen. Tatsächlich ist es laut Expertenmeinungen so, dass ein Kind sieben Personen ansprechen muss, um gehört zu werden“, erklärt Sandra Gottschalk. Mit vielen Aktionen versucht der Verein, das Thema des sexuellen Missbrauchs in der Öffentlichkeit wach zu halten. Zu den Aufgaben von Zornröschen gehört auch Präventionsarbeit. „Sina und Tim spielen Doktor“ ist der Titel des Theaterstücks von Zartbitter, das ab Juni 2018 in Mönchengladbach in 14 Kitas gespielt wurde. Zornröschen hat dieses Projekt initiiert und begleitet sowie die dazugehörigen Elternabende moderiert. Im Stück geht es darum, wieviel Doktorspiel erlaubt ist – und wann Kinder „Nein“ sagen sollten.

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