Sorgen in Mönchengladbach Gladbach bangt ums Wasser

Mönchengladbach. · Ein neues RWE-Konzept für die Tagebaue macht Umweltexperten der Stadt Kopfzerbrechen. Sie bangen um Feuchtgebiete und Wasserhaushalt – auch wegen des Hambacher Forstes. Widerstand von Politik und Bürgern sei nötig.

 Das Baggern im Tagebau Garzweiler II soll rund ein Jahrzehnt früher enden als ursprünglich geplant. Das hat Folgen für den Umgang mit dem Restloch.

Das Baggern im Tagebau Garzweiler II soll rund ein Jahrzehnt früher enden als ursprünglich geplant. Das hat Folgen für den Umgang mit dem Restloch.

Foto: dpa/Oliver Berg

Es klingt bescheiden, wie die RWE Group ihre neuesten Pläne für die Restabwicklung der Tagebaue im Rheinischen Revier vorstellt. Das Unternehmen wolle „einen Beitrag leisten“ zu einer Entscheidung, die die Landesregierung nach einem vom Bund beschlossenen Ausstieg aus der Kohleverstromung in nicht allzu ferner Zukunft zu treffen hat. Diese wird die großen Rahmenbedingungen für das Ende der Förderung vor Mönchengladbachs Haustür festlegen.

Das dafür nun von RWE präsentierte „Revierkonzept“ bereitet Barbara Weinthal, Leiterin des städtischen Fachbereichs Umwelt, arges Kopfzerbrechen. So arge, dass sie Widerstand aus Politik und Bürgerschaft für nötig hält. „Ich hoffe, dass es da einen großen Schulterschluss gibt“, sagt Weinthal. Andernfalls sehen Umweltexperten der Stadt die Feuchtgebiete und den Wasserhaushalt nicht nur in Mönchengladbach, sondern auch in Teilen des Kreises Viersen und der Niederlande bedroht. Eine Rolle spielt für die Stadt nicht nur das Wasser, sondern auch der Abraum aus dem Tagebau.

Worum geht es beim Abraum?

Der schnellere Ausstieg aus der Kohleförderung im Tagebau Hambach und die Proteste von Umweltschützern haben auch dazu geführt: Der umkämpfte Hambacher Forst bleibt stehen. Um ihn zur Kante des Lochs hin abzusichern, will die RWE Group nun die Böschung mit Erdreich anreichern und verbreitern. Unter anderem mit 60 Millionen Kubikmeter Lößboden aus dem Tagebau Garzweiler – und das sei doppelt so viel wie bislang geplant, sagt die Stadt.

Was ist das Problem
beim Abraum?

Der Lößboden aus dem Tagebau Garzweiler II eignet sich nicht nur gut für Anpflanzungen in Hambach. Solcher Boden wird laut Stadt auch dringend an Ort und Stelle benötigt, um das Grundwasser in höheren Bodenschichten einmal vor einer Versauerung zu bewahren. Löß soll die oberste Deckschicht in verfüllten Zonen des Tagebaus bilden. Andere Sande aus dem Loch sollen ganz unten mit Kalk versetzt verbuddelt werden. Denn ihrer speziellen Zusammensetzung wegen können diese Sande nach Kontakt mit Sauerstoff durchströmendes Wasser zu einer Flüssigkeit saurer als Essig machen. Heißt unterm Strich: Die Rettung des Hambacher Forstes darf nach Ansicht der Stadt nicht auf Kosten des Wasserhaushalts in der Mönchengladbacher Region gehen.

Worum geht es beim Wasser?

Seit Jahrzehnten ist klar, dass der Tagebau Garzweiler II nach dem Ende des Kohleabbaus mit Wasser aus dem Rhein in einen See verwandelt werden soll. Doch erst seit 2019 ist planungsrechtlich gesichert, über welche Trasse die dafür nötige Pipeline führen soll. Dass es noch rechtzeitig zu dieser Festlegung kam, ist ein Erfolg, den sich die Stadt auf ihre Fahne schreibt. Die Mengen, die über die immerhin 70 Meter breite Trasse einmal fließen sollen, sind gigantisch. Schon ungefähr ab 2030 sind jährlich 80 Millionen Kubikmeter Rheinwasser nötig, alleine um die Folgen der tagebaubedingten Grundwasserabsenkung in der Region zu kompensieren, die Feuchtgebiete und den auch fürs Trinkwasser bedeutsamen Wasserhaushalt zu sichern. Bislang waren für die Tagebaue Garzweiler und Hambach jeweils eigene Pipelines vorgesehen. Im neuen Revierkonzept spricht RWE nun jedoch davon, die Trasse für Garzweiler II verlängern und schon ab 2030 auch für Hambach nutzen zu wollen. Damit würde die Befüllung von Hambach zwei Jahrzehnte früher starten als vor dem vorzeitigen Ausstieg aus der Kohle geplant.

Was sind die Wasser-Probleme?

Abgesehen davon, dass im Gegensatz zum Tagebau Garzweiler für Hambach noch nicht klar ist, wie viel Rheinwasser er brauchen wird: Nach einigen Jahren mit großer Trockenheit und mit Blick auf den Klimawandel wird das erhoffte Rheinwasser zum umkämpften, weil womöglich knappen Gut. Schifffahrtsverbände wollen eine Absenkung des Flusspegels durch Wasserentnahme maximal um einen Zentimeter tolerieren. Und bei einem Strom, der durch mehrere Länder fließt, gerät diese Frage auch in die Mühlen einer Diskussion auf europäischer Ebene.

Für die Experten bei der Stadt ist daher von äußerster Wichtigkeit: Es muss sichergestellt sein, dass immer genügend Wasser aus dem Rhein kommt – damit Garzweiler ab 2038 zum See werden kann und schon ab 2030 genügend Wasser zum Schutz der Feuchtgebiete und des heimischen Wasserhaushalts verfügbar ist. Mönchengladbach will nicht nur weiterhin eine separate Pipeline für Hambach. Die Umwelt-Experten fordern überdies ein klares Konzept, wer steuert, wie und wann welche Mengen wohin fließen sollen. Und damit Dürreperioden zu anderen Zeiten abgepuffert werden können, verlangt Weinthal: „Bei Hochwasser im Rhein müssen größere Mengen entnommen werden.“

Was kann die Stadt tun?

Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners hat im März in einem Brief unter anderen an das Wirtschafts- und das Umweltministerium gefordert, dass die bisher festgeschriebenen Ziele „zum Schutz von Wasser- und Naturhaushalt in ihren grundsätzlichen Aussagen Bestand haben und im Detail an die veränderten Planungen zum Tagebau Garzweiler II angepasst werden“.

Wenn das Kohleausstiegsgesetz verabschiedet ist, sollen die Kommunen zu den Plänen für das rheinische Revier angehört werden, bevor die nordrhein-westfälische Landesregierung mit ihrer Leitentscheidung Weichen für die Tagebaue stellt. Weinthal hofft auf eine einmütige Stellungnahme aus Mönchengladbach. Eine entsprechende Resolution sollte „eine der ersten und vornehmsten Aufgaben des neuen Stadtrates sein“, sagt sie, „und zwar am besten ­einstimmig“.

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