„Haben Sie noch Fragen...?“ NEW bittet Verstorbene um Antwort

Giesenkirchen. · Karl-Josef Seitz wollte seine tote Mutter als Kundin abmelden und legte seinem Brief eine Sterbeurkunde bei. Das Unternehmen antwortete – und zwar der Mutter.

Deutlicher kann man es wohl kaum ausdrücken, als Karl-Josef Seitz es getan hat. „Sehr geehrte Damen und Herren, wie Sie der beigefügten Kopie der Sterbeurkunde entnehmen können, ist meine Mutter Käthe (Katharina) Seitz am 1.4.2019 verstorben“, teilte der Giesenkirchener am 8. April der NEW per Brief mit. Und neben der Urkunde fügte er noch Wünsche bezüglich des Stromanschlusses der im Alter von 94 Jahren Verstorbenen hinzu. Seine Mutter möge als Leistungsempfängerin gestrichen und er an ihrer Stelle eingesetzt werden. Weil die Wohnung der Mutter einige Zeit leer stehen werde, sollten bitte die monatlich fälligen Abschlagszahlungen reduziert werden. Abschließend bat Seitz „um kurze Nachricht“, sollte eine aktuelle Ablesung des Zählerstandes erforderlich sein. Nachricht kam auch prompt. Aber nicht nur an Karl-Josef Seitz.

Das Unternehmen entschuldigte sich und will Lehren ziehen

Diverse Poststücke der NEW trafen ein, die auf den 10. April datiert waren. Nur eines war an Karl-Josef Seitz gerichtet. Adressatin im Briefkopf der übrigen Stücke: die Verstorbene. „Sehr geehrte Frau Seitz, vielen Dank für Ihr Vertrauen“ begann ein Schreiben, das der Toten eine Geldforderung und die Höhe eines neuen Abschlages mitteilte. In einem weiteren Schreiben wurde die „sehr geehrte Frau Seitz“ informiert, dass die künftig fälligen Zahlungen mittels Lastschrift vom Konto eingezogen würden. Und für den Fall, dass sie noch nicht das neue Online-Kundencenter kenne, wurde ein Internetlink übermittelt.

Keine erfreuliche Lektüre für die trauernden Angehörigen. Doch damit nicht genug. Als „absolut taktloses und unwürdiges Gebaren“ empfanden Seitz und seine Schwester, was die NEW der Toten in einem weiteren auf den 10. April datierten Brief schrieb: „Sehr geehrte Frau Seitz, danke, dass Sie uns über Ihren Auszug informiert haben. Wir wünschen Ihnen, dass Sie sich in Ihrem neuen Zuhause wohl fühlen werden. Gerne beliefern wir Sie auch dort zuverlässig mit Energie.“ Und auch hier fehlte es nicht an Hinweisen aufs Internet und Bitten um Kontaktaufnahme: „Nutzen Sie unser Angebot unter www.new-energie.de oder rufen Sie uns an.“ Beigefügt war ein Formular für ein Übergabeprotokoll mit der Bitte, Käthe Seitz möge es ausgefüllt an die NEW zurücksenden.

Seiner Empörung machte Karl-Josef Seitz in einem Schreiben an den NEW-Vorstand Luft. „Wie kann es sein“ begannen einige bohrende Fragen. Das Übergabeprotokoll füllte er aus und trug in der Adresszeile ein: „Grabeskirche St. Matthias Günhoven, Stadtwaldstr. 323“.

Was Seitz über den eigenen Fall hinaus ärgert, erklärte er so: „Offensichtlich werden Schreiben an die NEW mit konkretem Inhalt nur oberflächlich gelesen und nicht individuell, sondern lediglich mit Textbausteinen beantwortet. Ich denke, dass wir hier kein Einzelfall sind.“

Mit der Vermutung, dass mit Textbausteinen gearbeitet wird, liegt Seitz nicht daneben. Das geht aus einer Stellungnahme hervor, welche die NEW übermittelte: „Wir bedauern den Vorfall ungemein. In einem Telefonat mit Herrn Seitz haben wir uns in aller Form entschuldigt“, wird darin Frank Salewski, Leiter Kundenservice der NEW, zitiert. Und weiter: „Anfang April hat Herr Seitz der NEW mitgeteilt, dass seine Mutter verstorben ist. Da für die Ummeldung noch Daten fehlten, wurden diese mit einem Schreiben angefordert. Dieses Standardschreiben enthält Textbausteine, die je nach Anliegen vom Sachbearbeiter verändert werden. Leider hat der Sachbearbeiter die Angaben im Schreiben nicht geändert und auch nicht die Adresse von Karl-Josef Seitz eingesetzt.“ Die NEW verspricht, Lehren daraus zu ziehen. Karl-Josef Seitz hat die Entschuldigung des Unternehmens angenommen.

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