Letzte Fahrt in Mönchengladbach war 1969 Kehrt die Straßenbahn nach mehr als 50 Jahren zurück?

Mönchengladbach. · Viele halten die Abschaffung heute für einen Fehler. Aber auch ein Neubau wird skeptisch beäugt.

 Die letzte Fahrt der Straßenbahn Mönchengladbach am 15. März 1969 auf der Hindenburgstraße.

Die letzte Fahrt der Straßenbahn Mönchengladbach am 15. März 1969 auf der Hindenburgstraße.

Foto: Stadtarchiv MG/Richard Unger

Mehr als ein halbes Jahrhundert sind Straßenbahnen aus dem Mönchengladbacher Stadtbild verschwunden. Ideen, dies wieder zu ändern, gibt es immer wieder. Der Masterplan-Verein etwa schrieb eine Route zwischen Gladbach und Rheydt über die Theodor-Heuss-Straße in sein Planwerk. Und zuletzt kündigte der grüne Oberbürgermeister-Kandidat Boris Wolkowski bei seiner Aufstellung an, eine neue Straßenbahnlinie mit Fördermitteln einrichten zu wollen. Eine Entscheidung des Bundes liefert solchen Gedanken zumindest Nahrung: Denn im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz hat Berlin im Januar die Mittel ab 2021 für den Aus- und Neubau von Bahnhöfen und Haltestellen des schienengebundenen Nahverkehrs auf jährlich eine Milliarde Euro angehoben. Das betrifft zwar erstmal nur bestehende Verbindungen, aber eine Ausweitung auf neue Projekte ist nicht ausgeschlossen.

Eine neue Straßenbahn durch Mönchengladbach? „Ich bin weiter dafür, auch wenn so etwas ein teures Infrastrukturprojekt ist“, bekräftigt Wolkowski. Er hält eine Route Gladbach-Rheydt mit Zwischenstopp am Hochschul-Campus oder eine Verbindung in den Nordpark für denkbar. Im Nordpark kann der Verkehr nicht nur bei Borussias Heimspielen eine gewisse Entlastung vertragen. „Eine Straßenbahn ist ohne Frage eines der verlässlichsten Verkehrsmittel“, sagt Felix Heinrichs, SPD-Politiker und Vorsitzender des Aufsichtsrats der NEW mobil und aktiv, die in Mönchengladbach für den Busverkehr zuständig ist. Er mahnt allerdings, dass zum Betrieb einer Straßenbahn mehr gehört, als einen Waggon auf die Straße zu setzen: „Die NEW hat keinerlei Erfahrung mit einer Straßenbahn und müsste das komplett neu aufstellen. Vielleicht wären stattdessen autonom fahrende Busse auf völlig eigenen Busspuren auch eine Alternative.“ Auch CDU-Politiker Frank Boss hält die Idee einer Straßenbahn für interessant. „Aber dann muss doch geklärt werden, wie viel Geld es tatsächlich gibt und wie hoch Betriebskosten nach dem Invest sind. Die Instandhaltungskosten sind ganz andere als bei Bussen.“ Vorher müsse es zudem eine belastbare Konzeption geben. „Alles andere ist unseriös.“

Die Integration der Bahn in den Stadtverkehr wäre kompliziert

So einfach wie noch vor 50 Jahren sind Straßenbahnen auch nicht mehr in den Stadtverkehr zu integrieren. Damals lagen die Schienen in Mönchengladbach auf der Straße, Bahnen und Autos teilten sich den Verkehrsraum. Heute ist das für Neubauten undenkbar. Die Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen legt fest, dass Bahnen einen eigenen „Baukörper“ haben müssen. Das heißt, dass Gleise zwar auf Straßen liegen dürfen, dass sie aber durch Bordsteine, Leitplanken, Hecken oder Baumreihen vom übrigen Verkehr getrennt werden müssen. Das macht die Frage nach Straßenbahnlinien umso komplizierter.

Dass Mönchengladbach die Straßenbahn abgeschafft hat, wird heute für einen Fehler gehalten. „Die Entscheidung würde heute sicherlich anders aussehen“, sagt die städtische Mobilitätsbeauftragte Caprice Mathar. Dennoch erteilt das Rathaus neuen Bahnen eine Absage: „Unter Berücksichtigung der gesetzlichen und finanziellen Bedingungen ist eine Realisierung insbesondere für eine stadtweite Erschließung nicht realisierbar. Um sich attraktiv und nachhaltig in der Stadt fortzubewegen, ist die Straßenbahn somit zwar eine Option, als Stadt gehen wir aber einen anderen Weg“, sagt Mathar und verweist auf die Förderung des Radverkehrs, Elektromobilität und Bevorrechtigung von Bussen. „Nicht außer Acht zu lassen ist die Möglichkeit, beispielsweise Güter über den Luftweg in die Stadt zu transportieren“, sagt Mathar. Über all das haben sich die Mönchengladbacher zum Ende der 1960er Jahre keine Gedanken gemacht. Sie begingen den Abschied von der „Elektrischen“ zu Tausenden entlang der Bahnschienen zwischen dem Alten Markt und der Endstation Lürrip. Die Bahnen trugen damals einen Trauerflor. Man inszenierte die letzte Fahrt augenzwinkernd als Beerdigung.

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