Inklusion in Mönchengladbach Familie kämpft um Hilfe für Tochter

Mönchengladbach. · Das Kind braucht eine Vollzeit-Begleitung für die Kita. Die Stadt gewährt nur zwei Stunden.

Emma (Name von der Redaktion geändert) ist ein aufgedrehtes Mädchen. So aufgedreht, dass den Eltern der Fünfjährigen relativ schnell auffiel: Mit dem Töchterchen stimmt etwas nicht, es entwickelt sich anders als andere Kinder. Und seit August vergangenen Jahres hat Familie Dickhardt die Diagnose der Sana Kliniken Düsseldorf: Emma braucht wegen einer mittelgradigen Intelligenzminderung mit Verhaltensstörung und zahlreichen weiteren Diagnosen viel Hilfe im Kindergarten.

Am besten sei laut Gutachten des kinderneurologischen Zentrums ein Platz in einem heilpädagogischen Kindergarten mit Therapien in der Kita, wenigstens sei aber im Regelkindergarten ein Integrationshelfer in Vollzeit zwingend. Das Mädchen ist zu 100 Prozent schwerbehindert, der Medizinische Dienst der Krankenkassen attestierte Pflegegrad drei.

Doch diese Betreuung bekommt die Familie nach derzeitigem Stand nicht. „Wir können das nicht verstehen“, sagt Vater Marcus Dickhardt, der als Krankenpfleger in einem Krankenhaus in Neuss arbeitet.

 Nach der Empfehlung aus der Klinik macht sich die Familie auf die Suche nach einem Platz in einem heilpädagogischen Kindergarten – vergeblich. Im November 2018 beantragen sie einen Integrationshelfer für Emma, der das Mädchen in Vollzeit im Regelkindergarten begleitet. Es dauert ein halbes Jahr, bis der Bescheid der Stadt im Mai dieses Jahres kommt: Zwei Stunden Betreuung am Tag werden bewilligt. Auch wenn die Familie nicht versteht, warum die Stadt nach der Begutachtung so von der Empfehlung der Klinik abweicht, macht sie sich auf die Suche nach einer Kraft. „Wir haben von allen Trägern Absagen bekommen mit dem Hinweis auf den zu geringen Stundenumfang“, sagt Dickhardt.

Die Stadt will den Widerspruch des Vaters prüfen

Daraufhin erneuert die Kita des Trägers Pro Multis ihre Einschätzung: „Eine Eins-zu-Eins-Betreuung ist unbedingt notwendig.“ Das Mädchen brauche Hilfe im gesamten lebenspraktischen Bereich, aus hygienischen Gründen, und wegen des gestörten Sozialverhaltens. „Sie hat bei Frustration impulsive Ausbrüche, zeigt ein selbstverletzendes Verhalten, sie ist wahnsinnig sprunghaft und hat Schreiattacken. Sie spricht, aber andere können sie nur sehr schwer verstehen, was sie sehr frustriert“, sagt Vater Marcus Dickhardt. Die Kita kommt zu dem Schluss, dass es den pädagogischen Fachkräften nicht möglich sei, Emma die Unterstützung zukommen zu lassen, „die sie für ihre Entwicklungs- und Interaktionsprozesse benötigt und die erforderlich ist, um sie selber und andere Kinder vor Gefahren zu schützen“.

Die Familie legt daraufhin Anfang Juni Widerspruch gegen den Bescheid der Stadt ein – und hört seitdem gute zwei Monate lang nichts. „Wir machen uns große Sorgen, wie wir in Kürze ins neue Kindergartenjahr gehen können, ohne dass die Betreuung geregelt ist“, sagt Marcus Dickhardt. Dabei geht Emma gerne in die Kita, „sie macht Musik und verkleidet sich gerne“. Und es wird ihr letztes Kita-Jahr sein, bevor sie in eine Schule kommt.

Die Stadt bestätigte den Fall, ließ aber die Frage zunächst unbeantwortet, warum die Verwaltung zu einer anderen Einschätzung gekommen ist als die Klinik. „Der Vater des Kindes hat Widerspruch gegen die Entscheidung des städtischen Fachbereichs Soziales und Wohnen eingelegt“, teilte Stadtsprecher Wolfgang Speen mit. „Die Verwaltung wird nun vor dem Hintergrund des Widerspruchs die Angelegenheit selbstverständlich noch einmal prüfen und dazu erneut den Kontakt mit den Eltern aufnehmen.“ Und was für die Familie vielleicht am wichtigsten ist: „Seitens der Stadt wird eine für die Familie und das betroffene Kind positive Lösung mit den erforderlichen Hilfen vor Beginn des neuen Kindergartenjahres angestrebt.“

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