Mönchengladbach Ein Relikt der textilindustriellen Vergangenheit

Die Baumwollspinnerei Paul M. Busch AG auf dem Reme-Gelände in Lürrip liegt seit den 1990er Jahren brach.

 Das architektonisch auffallende Kontorgebäude der früheren Textilfabrik ist noch zu erkennen.

Das architektonisch auffallende Kontorgebäude der früheren Textilfabrik ist noch zu erkennen.

Foto: Hans-Peter Reichartz

Mitten im Herzen des derzeitigen Planungsgebietes Reme in Lürrip am Fleenerweg lag die Baumwollspinnerei Paul M. Busch AG unmittelbar zwischen Fleenerweg und dem Gladbach. Erhalten sind noch heute das ehemalige Kontor-Gebäude (Büro, Verwaltung und Wohnung im Obergeschoss) sowie die anschließenden Wohnungen. Reme bezeichnet die ehemaligen Ausbesserungswerkstätten der britischen Rheinarmee, die im Jahr 1992 das Gelände verließen. Reme leitet sich vom Korps der Royal Electrical and Mechanical Engineers ab, was kaum bekannt ist. Auch die zum Schluss in den Fabrikräumen ansässige Cellulose-Füllstoff-Fabrik CFF Rettenmeier schloss nach einer Explosion 1991 mit vier Toten und elf Schwerverletzten die Tore. Seitdem ist das Gelände mehr oder weniger verwaist.

Die Baumwollspinnerei Paul M. Busch AG wurde im Jahre 1897 gegründet. Aber bereits im August 1896 wurde mit dem Bau der eindrucksvollen, nahezu idealtypischen Fabrikanlage am Fleenerweg begonnen. Die Fabrik steht, wie auch die Spinnerei von Emil Schmölder (Hammersen AG) in Rheydt-Morr, für eine zweite Welle der Textilindustrialisierung im Mönchengladbacher Raum, die um Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert nahezu ihren Höhepunkt erreichte. Erstens wich man in die noch mehr ländlicheren Stadtbereiche aus, und zweitens wurden eingeschossige Sheddach-Hallenbauten errichtet im Gegensatz zu den zunächst favorisierten Geschossfabriken (z.B. Gladbacher Spinnerei und Weberei AG am Platz der Republik oder die „Alte Spinnerei May & Cie an der Sophienstraße).

Sheddächer waren die
charakteristischen Symbole

Neben den zahlreichen Schloten waren gerade die Sheddächer die charakteristischen Symbole der textilindustriellen Kultur in der Stadt. In Anlehnung daran übernahm der Architekt Hans Hollein am Museum Abteiberg diese Signatur für seine Dachkonstruktion.

In Betrieb genommen wurde die Baumwollspinnerei Paul M. Busch im Juli 1897. Verarbeitet wurde anfangs rohes Watergarn aus amerikanischer Baumwolle zur Verwendung als Kettengarn. Im Jahr 1903 wurden rund 270 Arbeiter beschäftigt. Der Betrieb umfasste alle Gebäude, die für eine funktionierende Baumwollspinnerei erforderlich waren: Kontorgebäude mit Wohnung, Baumwolllager, Garnlager, Spinnsaal, Maschinen- und Kesselhaus mit drei Kesseln, Batteurraum, Schlosserei, Staubturm, Schornstein mit einer Höhe von 45,50 Metern und zahlreiche Nebengebäude.

Der eigentliche Spinnsaal war 68,70 Meter lang, 61 Meter breit und 4,20 Meter hoch. Überdeckt wurde er mit damals gebräuchlichen Sheddächern. Durch die Ausrichtung nach Norden wurde eine gute und gleichmäßige Beleuchtung gewährleistet. Die als Holzkonstruktion errichteten Sheds ruhten auf gusseisernen Stützen in einem Rasterabstand von 6,70 mal 3,35 Metern.

Das architektonisch auffällige Kontorgebäude beschreibt Thomas Kosche so: „Dreigeschossiger Bau in fünf Achsen mit gestaffeltem Ziergiebel, horizontaler Gliederung durch Friese und vorkragende Bänder aus gelben Backsteinen. Vertikale Gliederung durch Ecklisenen ebenfalls aus gelben Steinen. Alle Lisenen sind durch flache Aufsätze gekrönt. Den Traufenabschluss bildet ein reicher Fries.“ In jedem Fall erinnern Vorder- und Hinterfront an mittelalterliche Staffelgiebel, wie bei Wohnhäusern in Mönchengladbach an der Straße Abteiberg.

In dem links neben dem eindrucksvollen ehemaligen Kontorgebäude anschließenden und noch erhaltenen Nebengebäude befanden sich neben Ställen mit Remisen und Geschirrkammer auch ein Arbeiterspeisesaal (heute würde man Kantine sagen). Darüber befand sich eine Wohnung für den Kutscher.

Nachweislich arbeiteten noch im Jahr 1962 in der Baumwollspinnerei 350 Beschäftigte. Wann die Firma Busch den Betrieb aufgab, ist nicht bekannt. Es folgte die Cellulose-Füllstoff-Fabrik CFF Rettenmeier, die aber Anfang der 1990er Jahre den Betrieb einstellte. Nach einem Brand im Jahr 2017 ist das ehemalige Hauptgebäude in einem schlechten Zustand. Zu wünschen wäre, dass zügig ein Investor gefunden wird, um ein weiteres noch vorhandenes eindrucksvolles Relikt der textilindustriellen Vergangenheit Mönchengladbachs zu retten und möglichst schnell wieder mit Leben zu füllen.

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