Missbrauchs-Falle Internet

Gericht: Ein 59-jähriger Gladbacher vergeht sich nach Chat an einer 14-Jährigen.

Mönchengladbach. Er wisse ja, dass es aufhören müsse. Sie solle ihre Jugend genießen und er habe seine Lektion gelernt. So sprach am Donnerstag ein 59-Jähriger aus Mönchengladbach, der sich vor dem Landgericht wegen sexuellen Missbrauchs verantworten musste, über sein Opfer.

Angefangen hatte es wie so oft: In einem Internet-Chat hatte sich der 59-Jährige als 22-Jähriger ausgegeben und sich mit einer damals 13-Jährigen aus dem bayrischen Aschaffenburg angefreundet. Sie hätten monatelang fast jeden Abend telefoniert, er sei für sie da gewesen, habe ihr zugehört. Im November 2007 setzte sich das Mädchen dann in den Zug und fuhr nach Mönchengladbach. Er habe sie noch auf dem Handy angerufen und ihr gesagt sie solle umkehren, doch sie habe sich nicht abhalten lassen.

Als er sie dann zum ersten Mal gesehen habe, hätte es bei ihm einfach Klick gemacht, so der Angeklagte. Er habe sie geliebt, und er liebe sie immer noch. Sein Herz sei stärker gewesen als sein Verstand. Die Aschaffenburgerin übernachtete bei ihm, es kam zu ersten Übergriffen.

Im Anschluss verging der Täter sich bis zum Januar 2008 fünf weitere Male an dem Mädchen. Unter anderem in einem Aschaffenburger Hotel. Dabei kam es auch zum Geschlechtsverkehr. Als sie daraufhin den Kontakt abbrach, versuchte der Angeklagte über andere Mädchen aus dem Chatroom, sie erneut zu kontaktieren.

Seit Mai 2008 saß der 59-Jährige in Untersuchungshaft, doch seine Ruhe hatte das Mädchen deswegen noch lange nicht. Mit Briefen und Anrufen versuchte der Mann weiter, zu seinem Opfer durchzudringen. Selbst eine einstweilige Verfügung der Eltern des Mädchens konnte ihn nicht abhalten. Er liebe sie auch heute noch, so der arbeitslose Gebäudereiniger.

Das Mädchen befindet sich in psychiatrischer Behandlung. Da der Angeklagte die meisten Anklagepunkte gestanden hatte, blieb zumindest dem Opfer eine Aussage vor Gericht erspart.

Das Gericht unter dem Vorsitz von Richter Lothar Beckers verurteilte den Mann zu vier Jahren Haft und kam damit dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft nach. Die hatte argumentiert, dass die sexuellen Übergriffe an Intensität zugenommen hätten.

Außerdem widerspräche die Aussage, der Angeklagte wolle, dass sie ihre Jugend genieße, der Tatsache, dass er immer wieder den Kontakt zu ihr gesucht habe. Zur Behauptung, dass sie ihren Peiniger ja ebenfalls geliebt habe, gab die Staatsanwaltschaft folgendes zu bedenken: "Sie ist ein Teenager. Sie können nicht verlangen, dass sie das einordnen kann."

Richter Beckers hatte ohnehin Zweifel an den Aussagen des Angeklagten. Schließlich habe dieser sich im Internet als 22-Jähriger ausgegeben und auch anderen Mädchen eindeutige sexuelle Angebote gemacht habe.

Der Fall setzt die lange Liste der sexuellen Missbräuche nach Internet-Bekanntschaften fort. Psychiater Eckhard Kühn, der den Gladbacher Angeklagten untersucht hatte, sagte am Donnerstag: "Die Kontaktaufnahme in der anonymen Welt des Internets ist eine Vorläuferhandlung, das Chatten führt zu einer intimen Situation."

Durch das persönliche Schreiben entstünde sehr schnell eine emotionale Beziehung, die auch oft zum Austausch beispielsweise von Telefonnummern führe. Je stärker das Motiv für die Online-Kontaktaufnahme, desto höher sei auch die Wahrscheinlichkeit der realen Umsetzung. "Und Sex ist eines der stärksten Motive, die es gibt", sagte Kühn.

Der Psychiater bescheinigte dem Angeklagten in seinem Gutachten die Unfähigkeit, Beziehungen zu hinterfragen, und die Gewohnheit, Konflikten aus dem Weg zu gehen. Nach Aussage des Angeklagten sei eben alles einfach so passiert. Weil es keine Anzeichen für eine pädophile Neigung gebe, sei von einer geringen Wiederholungsgefahr auszugehen. Der Angeklagte sei kein typischer Sexualstraftäter.

Das Gericht setzte deswegen die Untersuchungshaft aus, bis das Urteil rechtskräftig wird. Die Auflagen: Der 59-Jährige darf weder Kontakt zu Mädchen im Internet, noch zu seinem Opfer aufnehmen. Und er muss sich regelmäßig bei der Polizei melden. Die letzten Worte des Täters: "Es tut mir leid."

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