Missbrauch: Justiz ermittelt mit „Hochdruck“

Gericht sah bei dem verurteilten und nun erneut verhafteten Sexualstraftäter keinen Haftgrund.

Der Fall des vor einer Woche verhafteten Sexualstraftäters aus Mönchengladbach beschäftigt jetzt Staatsanwaltschaften und Gerichte. Dem 45-Jährigen wird vorgeworfen, zwischen November 2014 und April 2015 zwei Jungen in neun Fällen sexuell missbraucht zu haben — zu einem Zeitpunkt, an dem er bereits wegen schweren sexuellen Missbrauchs seines Stiefsohnes zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt war, die Haft aber noch nicht angetreten hatte. Zweimal hat der Bundesgerichtshof den Schuldspruch zwar bestätigt, aber die Strafzumessung gerügt — und nun den Fall an das Landgericht Düsseldorf verwiesen.

Dort wird nur die Strafe, nicht die Schuldfrage, neu verhandelt. Nur deshalb blieb der Mann wie berichtet auf freiem Fuß. „Ich kann gut nachvollziehen, dass das Kopfschütteln verursacht, aber es ist nun einmal die Sache des Rechtsstaats, auf ein rechtlich fehlerfreies Urteil hinzuwirken“, sagte Oberstaatsanwalt Lothar Gathen. Die Ermittlungen zu den neuen Vorwürfen würden in Mönchengladbach geführt, „unter Hochdruck, wie in Haftsachen üblich“, wie Gathen betonte.

Ein Haftrichter hatte nach der Aussage der mutmaßlichen Opfer, die Mitglieder im selben Musikverein wie der 45-Jährige sind, Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr angeordnet. Rechtsanwalt Heribert Kayenburg, der den Mönchengladbacher vertritt, hat Akteneinsicht beantragt. „Wenn die Sachlage so ist, dann ist der Haftbefehl nachvollziehbar“, sagte Kayenburg.

Theoretisch hätte es auch schon früher wegen der alten Vorwürfe einen Haftbefehl geben können, wenn ein Richter einen Haftgrund gesehen hätte — wie jetzt zum Beispiel Wiederholungsgefahr. Das sah die Kammer im vergangenen Jahr trotz einschlägiger Vorstrafe von 1994 aber offenbar nicht. „Wiederholungsgefahr als Haftgrund wird besonders streng gehandhabt“, sagte Marcus Strunk, Sprecher des NRW-Justizministeriums. Fluchtgefahr, ein weiterer Haftgrund, schied damals ebenfalls aus. Offenbar erschien der Mann stets freimütig zu den Verhandlungsterminen.

In dieser Zeit war er aber damit beschäftigt, den Musikverein aufzubauen, in dem auch die mutmaßlichen Opfer Mitglieder wurden.

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